Das Deutschlandticket kommt…

… und in 11 Monaten hat es die Politik geschafft, das im letzten Jahr so erfolgreiche 9-Euro-Ticket derart zu verwässern, dass das neue Angebot zielsicher an der wichtigsten Zielgruppe vorbeischrammt.

Mit dem erfolgreichen 9-Euro-Ticket hat das "Deutschland-Ticket" nicht mehr viel gemein. Foto: Transdev Vertriebs GmbH / Wikimedia Commons / PD

(KL) – Das 9-Euro-Ticket, das im letzten Sommer über 50 Millionen Mal verkauft wurde und Menschen das Reisen ermöglichte, die es sich ansonsten nicht leisten können, schrie nach einem Nachfolger. Der kommt nun auch, doch das das 49 € / Monat teure „Deutschlandticket“ mit dem 9-Euro-Ticket nicht mehr viel gemein, im Gegenteil: Diejenigen, die am dringendsten auf ein solches Ticket angewiesen wären, sind von seinem Erwerb ausgeschlossen. Unglaublich, wie ein Erfolgsmodell wie das 9-Euro-Ticket zu einem mehr oder weniger uninteressanten und nicht zielgruppengerechten Angebot wurde.

Das war eine tolle Nummer im letzten Sommer. Jedermann und jede Frau konnte in den Sommermonaten Juni, Juli und August für nur 9 Euro ein Ticket erwerben, das einen Monat lang die Nutzung aller öffentlichen Verkehrsmittel in Deutschland ermöglichte. Ein richtiger Reiseboom war die Folge und viele, vor allem junge Leute, machten sich sogar einen Spaß daraus, die ganze Republik von Sylt nach Berchtesgarden mit diesem Ticket zu entdecken. Der Erfolg war so groß, dass sich alle Politiker einig waren – dieses Ticket braucht einen Nachfolger! Nur, was jetzt dabei herausgekommen ist, geht völlig an der wichtigsten Zielgruppe vorbei, nämlich den sozial schwächsten Mitbürgern, denen letztes Jahr mit dem 9-Euro-Ticket die gesellschaftliche Teilhabe für einen kurzen Sommer ermöglicht wurde. Doch damit ist es vorbei, viele Menschen in sozial angespannten Verhältnissen dürfen das „Deutschlandticket“ gar nicht kaufen – denn viele Menschen in dieser Kategorie werden an der Schufa-Bonitätsprüfung scheitern, denn ein negativer Schufa-Eintrag ist ein KO-Kriterium für den Erwerb dieses ohnehin zu teuren Tickets.

8,9 % der Bundesbürger haben einen negativen Schufa-Eintrag und von diesen befinden sich naturgemäß die meisten in der Kategorie der „Bürgergeld-Empfänger“, also der sozial schwächsten Mitglieder der Gesellschaft. Für diese Zielgruppe hat die Bahn aber eine „Lösung“ parat – wer aufgrund eines negativen Schufa-Eintrags kein „Deutschlandticket“ erwerben kann, hat die Möglichkeit, das Ticket auch am Schalter zu kaufen, allerdings nur, wenn er die gesamte Jahresgebühr, also 500 €, direkt auf den Tisch legt. Anders als beim im Internet gekauften Ticket ist es dann auch nicht möglich, das Ticket nur für die Monate zu kaufen, in denen man es wirklich braucht.

Aus dem tollen 9-Euro-Ticket wird nun also ein nicht so tolles 49-Euro-Ticket, das vermutlich kaum jemanden zum Umstieg vom PKW auf öffentliche Verkehrsmittel motivieren wird. Selbst für Fernreisen lohnt sich das Ticket kaum noch, denn wenn man Sparpreise, Rabattkarten und anderes nutzt, kann man für weniger Geld als 49 € durch die Republik reisen.

Schade, dann bleibt es wohl dabei, was Hans-Magnus Enzensberger einst als „der kurze Sommer der Anarchie“ beschrieb – der Sommer 2022 war derjenige, in dem alle Bundesbürger reisen und das Leben genießen konnten. Mit dem „Deutschlandticket“ ist das nur noch eine schöne Erinnerung.

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