Das Deutschland-Ticket – an der Zielgruppe vorbei

Seit dem Wochenende läuft der Vorverkauf für das „Deutschland-Ticket“ oder „49-Euro-Ticket“. Doch seit letztem Jahr hat sich das Konzept für den Regionalverkehr so verwässert, dass es nur noch wenig Sinn macht.

Am Ticketautomaten wird man vergeblich nach dem 49-Euro-Ticket suchen... Foto: Ermell / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Letzten Sommer reiste ganz Deutschland. Selbst diejenigen, die sich normalerweise keine Reisen leisten konnten, wurden in den drei Sommermonaten dank des 9-Euro-Tickets mobil und erlebten tatsächlich so etwas wie gesellschaftliche Teilhabe. Denn für 9 Euro konnte man einen ganzen Monat lang alle Regionalzüge und den bundesweiten öffentlichen Nahverkehr nutzen. Eine tolle Sache! Dazu entlastete das 9-Euro-Ticket nachweislich den PKW-Verkehr, was in einem Rekordsommer mit Temperaturen von 40 Grad und mehr ebenfalls eine gute Sache war. So war klar, dass das 9-Euro-Ticket aufgrund seines großen Erfolgs einen Nachfolger brauchte. Doch was mit dem 49-Euro-Ticket, dessen Vorverkauf seit dem Wochenende läuft, dabei herauskam, hat mit dem damaligen Konzept praktisch nichts mehr zu tun.

Das „Deutschland-Ticket“ ist in erster Linie ein Job-Ticket, hat aber leider den sozialen Aspekt völlig über Bord geworfen. Dazu richtet sich das neue Angebot nur an Bevölkerungsgruppen, die mit beiden Füssen in der digitalen Welt stehen und über ein geregeltes Einkommen und die entsprechenden digitalen Zahlungsmöglichkeiten verfügen, was für viele sozial schwächere Menschen häufig nicht der Fall ist. Doch die rund 20 % der Bevölkerung, die unter oder in der Nähe der Armutsgrenze leben, sind damit faktisch von diesem neuen „Deutschland-Ticket“ ausgeschlossen. Und das ist schade.

Was bekommt man also künftig für 49 Euro? Im Grunde ist das Angebot das gleiche wie im letzten Sommer, nur dass es 40 Euro teurer ist. Der glückliche Inhaber eines solchen digitalen Tickets kann für 49 Euro einen Monat lang alle Regionalzüge in Deutschland und alle Angebote des öffentlichen Nahverkehrs in der ganzen Bundesrepublik nutzen. Hierfür braucht man ein Smartphone, um die entsprechende App zu laden oder aber man bucht das Ticket im Internet. An Fahrkartenschaltern kann man das Ticket nicht erwerben und wie weit das Angebot an sozial schwächeren Menschen vorbei geht, das erkennt man daran, dass das Ticket auch am Schalter erworben werden kann, aber nur, wenn man gleich den ganzen Jahresbetrag entrichtet – doch welcher „Bürgergeld“-Empfänger kann mal eben 500 Euro für das Jahresticket lockermachen?

Schade ist auch, dass die Deutsche Bahn das Angebot von Flixbus abgelehnt hat. Der Betreiber der größten Fernbuskette (der auch Zugfahrten anbietet) wäre gerne in das Konzept mit eingestiegen, doch darauf hatte die Deutsche Bahn keine Lust. Auch schade, denn eine solches Angebot hätte den sozialen Aspekt des „Deutschland-Tickets“ deutlich gesteigert. Aber offenbar zielte die Deutsche Bahn gar nicht darauf ab, die Mobilität sozial schwacher Menschen zu ermöglichen – und das „Deutschland-Ticket“ wird nun zum reinen Jobticket für jüngere Generationen.

Es mag sein, dass das „Deutschland-Ticket“ eine Alternative für Arbeitnehmer ist, da in vielen Fällen die Monatsabos für Berufstätige teurer sind als 49 Euro. Aber das ist dann auch schon alles. Schade, dass das rundum erfolgreiche 9-Euro-Ticket so verwässert wurde, dass sein wichtigster Aspekt auf der Strecke geblieben ist. Doch wer sozial schwachen Menschen die Mobilität erschwert, wird sich über kurz oder lang an anderer Stelle mit dieser Frage auseinandersetzen müssen. Und wieder bleibt die traurige Erkennis, dass Verkehrspolitik nicht für sozial schwache Menschen gemacht wird. Die müssen dann eben weiter schauen, wie sie von A nach B kommen.

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