Das Hauen und Stechen geht los…

In der neuen französischen Nationalversammlung beginnt die Arbeit mit einem Misstrauens-Antrag der linken Opposition. Aussichten auf Erfolg hat dieser allerdings kaum.

Dicke Luft in der Pariser Nationalversammlung... Foto: Maria Eklind / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 2.0

(KL) – Das werden fünf lebhafte Jahre im neu gewählten französischen Parlament, in dem die Regierungspartei „Ensemble!“ aka „Renaissance“ aka „La République en marche“ keine regierungsfähige Mehrheit mehr hat und künftig themenbezogene Mehrheiten im Parlament suchen muss. Los geht das Armdrücken mit einem Misstrauen-Antrag der linken Oppositionsgruppe „NUPES“ gegen die Premierministerin Elisabeth Borne. Dass dieser wohl keine Mehrheit finden wird, liegt an verfassungstechnischen Feinheiten und den neuen Mehrheitsverhältnissen im französischen Parlament.

Die französische Verfassung sieht zwei verschiedene Möglichkeiten vor, mit denen ein Premierminister oder eine Premierministerin gekippt werden kann. Zum einen kann der oder die Regierungschef(in) die Vertrauensfrage stellen, was Elisabeth Borne allerdings nicht möchte. Für diesen Fall sieht die Verfassung einen Misstrauens-Antrag vor, bei dem die Mehrheit im Parlament ausreichen würde, die Regierungschefin zu stürzen.

Über den gestern von der Opposition eingereichten Misstrauens-Antrag könnte bereits am Freitag abgestimmt werden. Anders als bei der Vertrauensfrage, die normalerweise von der Regierung selbst gestellt wird und die dazu dient, die Regierung zu bestätigen, handelt es sich hier um einen Misstrauens-Antrag nach Artikel 49 der Verfassung.

Damit ein solcher Antrag überhaupt im Parlament gestellt werden kann, muss er von 10 % der Abgeordneten unterzeichnet sein, was eine sehr geringe Hürde darstellt. Nach Einreichen des Antrags, was gestern geschehen ist, haben alle Seiten 48 Stunden Bedenkzeit, die vorgesehen ist, damit die Antragssteller es sich noch einmal überlegen können und um der Regierung die Möglichkeit zu geben, ihre eigenen Reihen und eventuellen Partner zu mobilisieren.

Danach geht es ans Eingemachte. Wenn bei der Abstimmung die Mehrheit der Abgeordneten den Misstrauens-Antrag stützt (erforderlich sind 289 Abgeordnete), greift Artikel 50 der französischen Verfassung, der den Premierminister oder die Premierministerin zwingt, seinen oder ihren Rücktritt einzureichen. Um es den Amtsinhabern etwas leichter zu machen, sieht die Verfassung ebenfalls vor, dass Enthaltungen als Ablehnung des Antrags gelten, was wiederum bedeutet, dass sich 289 Abgeordnete explizit für den Rücktritt des Regierungschefs aussprechen müssen.

In der V. Französischen Republik ist dies genau einmal passiert. Im Jahr 1962 musste nach einem Misstrauens-Antrag die Regierung von Georges Pompidou zurücktreten. Doch ist es 2022 eher unwahrscheinlich, dass dieser Antrag die erforderliche Mehrheit findet. Zum einen müssten zum ersten Mal alle Oppositionsparteien, von rechtsaußen bis linksaußen über die Mitte-Rechts-Opposition praktisch geschlossen gegen die Regierung stimmen, was ein Novum wäre, das nur schwer vorstellbar ist. Zum anderen hat momentan niemand ein echtes Interesse, nur wenige Wochen nach den Wahlen eine Regierungskrise heraufzubeschwören, was unter Umständen zu Neuwahlen führen könnte, die sich momentan wohl niemand in Frankreich wünscht.

Auch die Statistik spricht gegen diesen Antrag. In der V. Republik gab es insgesamt 58 solcher Anträge, von denen eben nur ein einziger erfolgreich war, die bereits erwähnte Abwahl der Regierung Pompidou.

Doch der Hauptgrund, warum Elisabeth Borne wohl im Amt bleiben kann, ist dass das rechtsextreme „Rassemblement National“ und die Mitte-Rechts-Partei „Les Républicains“ bereits angekündigt haben, diesen Antrag der linken „NUPES“ nicht unterstützen zu wollen. Und selbst in der bunt gemischten „NUPES“, dem Zusammenschluss von Sozialisten (PS), Kommunisten (PCF), Grünen (EELV) und anderen linken Gruppen gibt es Stimmen, die gegen diesen Misstrauens-Antrag zu hören sind. So kann es dann gut sein, dass der Antrag nicht einmal die 151 Stimmen der „NUPES“ erhält, sondern so scheitert.

Nichtsdestotrotz wird klar, dass die Auseinandersetzungen zwischen Regierung und Opposition in dieser Legislaturperiode eine andere Qualität haben werden als zuvor. „Durchregieren“ kann die Macron-Partei nicht und sollte sie sich ähnlich viele Skandale wie in der ersten Amtszeit Macrons leisten, könnte einer der nächsten Anträge durchaus erfolgreich sein. Ob es die Regierungspartei will oder nicht, sie wird in den nächsten fünf Jahren respektvoller und demokratischer mit der Opposition umgehen müssen. Und das ist ja eigentlich keine schlechte Nachricht.

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