Regierungskrise in Frankreich

Ministerpräsidentin Elisabeth Borne ist gestern zurückgetreten und ihr Nachfolger wird wohl am Mittwoch präsentiert. Präsident Macron ist das egal – er denkt nur an „seine“ Olympischen Spiele.

Unter der zurückgetretenen Ministerpräsidentin Elisabeth Borne und ihrem Präsidenten hat die französische Demokratie schweren Schaden erlitten. Foto: Benoît Granier / Wikimedia Commons / Licence Ouverte 2.0

(KL) – Gestern nachmittag war es dann soweit – Frankreichs Ministerpräsidentin Elisabeth Borne reicht beim Präsidenten ihren Rücktritt ein. Überraschend war das nicht, zumal ohnehin klar war, dass sie ansonsten am Mittwoch bei oder vor der nächsten Kabinettssitzung gefeuert worden wäre. Doch wer immer auch ihren undankbaren Job übernehmen wird, retten wird dies die völlig abgewirtschaftete Macronie auch nicht mehr.

Auf Kommentare Macrons wartete man gestern vergeblich, dafür veröffentlichte der Präsident in den sozialen Netzwerken ein Video, das sich am Rande zum Lächerlichen bewegte. In Sportkleidung und in einer Umkleidekabine, im Hintergrund ein Sandsack, erklärte Macron mit zufriedenem Lächeln, dass „die große nationale Sache 2024 der Sport sei“. Aha. Der eine oder andere mag sich der Illusion hingegeben haben, dass die „große Sache 2024“ eher die Beendigung der Kriege, das Verhindern des Abrutschens ganz Europas in die Hände rechtsextremer Ultranationalisten und die Lösung der sich immer weiter verschärfenden sozialen Probleme sei, doch nun ist es klar – in Frankreich geht es 2024 nur darum, dass Macron „seine“ Olympischen Spiele durchziehen kann, koste es, was es wolle. Und kosten wird diese Personality Show eine ganze Menge…

Dass ihr Job in dieser Woche enden wird, war Elisabeth Borne längst klar. Allerdings gibt es auch schönere Jobs als denjenigen des französischen Regierungschefs, denn in Frankreich ist ein Regierungschef überhaupt kein Chef, sondern lediglich der Aktentaschenträger Nummer 1 des sich wie ein Sonnenkönig aufspielenden Präsidenten. Entscheidungen trifft in Frankreich nur einer, der über die Franzosen herrscht, wie es ihm beliebt, und dessen Demokratiedefizite die Franzosen noch lange teuer bezahlen werden.

Die Bilanz von Elisabeth Borne, die das Amt seit Mai 2022 bekleidete, ist erschreckend und nichts, worauf die ehemalige Sozialistin stolz sein könnte. In ihre Amtszeit fallen undemokratische Entscheidungen wie die Anhebung des Rentenalters, die von rund 90 % der Franzosen abgelehnt wurde und die am Ende mit dem berüchtigten Verfassungsparagrafen 49.3 am Parlament vorbei beschlossen wurde. Auch das seltsame, neue Einwanderungsgesetz geht auf ihre Kappe, ebenso wie insgesamt 23 Beschlüsse, die von ihrer Regierung (und natürlich im Auftrag Macrons) ohne Abstimmung im Parlament mit dem 49.3 durchgesetzt wurden.

Unter Borne und Macron hat die französische Demokratie ernsthaft Schaden genommen und das wird sich auch unter einem neuen Ministerpräsidenten nicht ändern, zumal Macron seit 2017 mehr als 30 Minister und Staatssekretäre verheizt hat und eigentlich nur noch Auswechselspieler auf der Regierungsbank sitzen. Wer davon diese Woche zum neuen Ministerpräsidenten gemacht wird, ist eigentlich egal, denn auch künftig trifft in Frankreich nur einer die Entscheidungen und der ist leider gerade vollständig mit seiner „großen nationalen Sache“ beschäftigt, den Olympischen Spielen, mit denen sich Macron in der guten, alten Tradition zahlreicher Diktatoren dieser Welt ein Denkmal setzen will. Die zahllosen Probleme der Franzosen können warten, denn Macron hat Sport. Na toll.

Vieles deutet auf die jugendlich frischen Möchtegern-Ministerpräsidenten Gérald Darmanin oder Gabriel Attal hin, der ebenfalls oft genannte Wirtschaftsminister Bruno Le Maire wird wohl eher wenig Lust verspüren, sich jetzt auch noch verheizen zu lassen, und ansonsten herrscht gähnende Leere, wenn man mögliche Nachfolger für Elisabeth Borne sucht, die idealerweise gerade keine Bestechungs-, Sexual- oder Favoritimus-Skandale am Hals haben.

Doch wenn man genau hinschaut, dann merkt man, dass Macron eigentlich gar keine Regierung mehr braucht. Er verwaltet jetzt noch mehr schlecht als recht die Angelegenheiten Frankreichs, bevor es zu einer geordneten Übergabe der Macht an die Rechtsextremen kommt, die von Macron und seinen Regierungen und seinen Vorgängern über die Jahre immer weiter hochgepäppelt wurden.

Doch auch die saftige Ohrfeige, die sich für die Macronie bei der Europawahl am 9. Juni 2024 abzeichnet, dürfte Macron wenig stören. Klar, er hat ja auch Sport und das ist wichtiger als alles andere. Armes Frankreich.

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.

*



Copyright © Eurojournaliste