Das Füllhorn des Emmanuel Macron
Der französische Präsident, auch, wenn er noch nicht offiziell seine Kandidatur für eine mögliche Wiederwahl 2022 erklärt hat, ist bereits mitten im Wahlkampf.
(KL) – Es klingt ein wenig nach Helmut Kohl im Jahr 1989, als er den neuen Bundesländern „blühende Landschaften“ versprach. Das klang gut, selbst wenn man heute im Osten der Republik erst zaghafte Knospen dieser blühenden Landschaften sieht. Ähnlich sind die Füllhorn-Ankündigungen des französischen Präsidenten zu werten, der jetzt sein Programm „France 2030“ vorstellte. Wenn das alles umgesetzt wird, dürfte Frankreich 2030 eine Art Paradies mitten in Europa werden. Abgesehen davon, dass unklar ist, wie dieses Mega-Programm finanziert werden soll, darf man durchaus die Frage stellen, warum es nicht schon wenigstens in Teilen in seiner ersten Amtszeit umgesetzt wurde.
Beim Programm „France 2030“ geht es vor allem um öffentliche Investitionen. Kaum ein Bereich, in den Macron keine Milliarden pumpen will, wobei ziemlich unklar ist, woher diese Milliarden in einer ohnehin angespannten Situation mitten in der Pandemie kommen sollen. Aber sagte nicht schon General de Gaulle zum Thema der Wahlversprechen, dass diese nur diejenigen verpflichten, die an sie glauben?
Die wichtigsten Bereiche, in denen Emmanuel Macron im Falle seiner Wiederwahl investieren möchte: Ausbau der Atomenergie; die Führungsposition in der Entwicklung von „grünem Wasserstoff“; der Ausstieg der Industrie aus fossilen Energieträgern; die Produktion von 2 Millionen E- und Hybrid-Fahrzeugen; die Produktion 2030 des ersten Flugzeugs mit niedrigem CO2-Ausstoss und vieles mehr. Letztlich beabsichtigt Macron, Frankreich im Weltgeschehen wieder unabhängig und zum Weltführer in vielen Bereichen zu machen. Klingt nicht schlecht.
30 Milliarden Euro soll das Programm „France 2030“ kosten und „eine Antwort auf die großen Herausforderungen unserer Zeit“ darstellen. Politiker-Sprech erster Qualität. Mit diesen 30 Milliarden will der Präsident die Klimaproblematik lösen, das Schulsystem modernisieren, die Probleme der weltweiten Überbevölkerung in den Griff bekommen, und auch noch die Ungleichheiten aufgrund der Weltwirtschaft ausgleichen. Wer hätte gedacht, dass mickrige 30 Milliarden Euro reichen, die Probleme dieser Welt zu lösen…
Aber mit diesem Programm, so verspricht Macron, wird Frankreich wieder eine „große Nation der Innovation und der Produktion“. Da die meisten der von ihm angesprochenen Probleme nicht neu sind, bleibt die Frage bestehen, warum er nicht die ersten 4,5 Jahre seiner fünfjährigen Amtszeit genutzt hat, um diese Themen wenigstens in Angriff zu nehmen.
Eine erste Ahnung, wer das bezahlen soll, liest man zwischen den Zeilen seiner Erklärung. So beabsichtigt Macron, „die Effizienz der Sozialausgaben“ zu steigern, was im Politiker-Sprech nichts anderes bedeutet, als Sozialleistungen drastisch zu kappen. Dazu will er, dass die Franzosen „mehr produzieren“ und „besser konsumieren“, und das wiederum bedeutet bei Macron, dass sich die Großindustrie schon jetzt auf satte Subventionen freuen darf, um diese Ziele zu erreichen. Das könnte auch den einen oder anderen Unternehmer motivieren, den nun gestarteten Wahlkampf des Präsidenten finanziell zu unterstützen. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt…
Doch wie so häufig gibt es bei vollmundigen Ankündigungen von Politikern ein kleines Problem – das Timing. Die meisten Wohltaten, mit denen Macron sein Land beglücken will, bewegen sich rund um das Jahr 2030. Dann wäre auch eine theoretisch denkbare zweite Amtszeit von Macron bereits lange vorbei. Was wiederum bedeutet, dass der größte Teil dieser kleinen Revolution von anderen zu erledigen sein wird.
Aber jede Menge Versprechungen zu machen, so etwas kommt gut zum Auftakt eines Wahlkampfs. Und je mehr man verspricht, desto höher die Chance, dass die Menschen vieles davon schon vergessen haben werden, wenn es darum geht, zu liefern. Schade nur, dass praktisch die ganze erste Amtszeit des Präsidenten mit einem ergebnislosen Armdrücken mit den verschiedenen sozialen Protestbewegungen in Frankreich vertändelt wurde und nicht viel von diesen drängenden Fragen in Angriff genommen wurde. Aber seien wir ehrlich, bei Wahlversprechen geht es schon lange nicht mehr um deren Umsetzung, sondern in erster Linie um Sympathiepunkte für diejenigen, die wohlklingende Versprechungen machen. Und wenigstens wissen jetzt alle, dass der Wahlkampf für das Superwahljahr 2022 definitiv begonnen hat.
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