Das thühringisch-sächsische Eigentor

Die beiden östlichen Bundesländer überbieten sich gegenseitig mit abstrusen Ideen und Maßnahmen, die nur eines zeigen – die völlige Hilflosigkeit der Politik gegenüber der Pandemie.

Bodo Ramelow will in Thüringen nicht geimpften Personen den Zugang zu Krankenhäusern verbieten. Es sieht so aus, als hätten wir die falschen Politiker zum falschen Zeitpunkt... Foto: Christliches Medienmagazzin pro / Wikimedia Commons / CC-BY 2.0

(KL) – So, Sachsen macht den Anfang. Ab Montag gelten in dem Bundesland, das zu DDR-Zeiten auch das „Tal der Ahnungslosen“ genannt wurde, weil man in weiten Teilen des Landes kein Westfernsehen empfangen konnte, führt flächendeckend die 2G-Regel ein. Herzlichen Glückwunsch! So ist wenigstens sichergestellt, dass a) das Virus nur noch zwischen „sicheren“ Personen weitergegeben wird und b) die Gesellschaft auf Jahre hinaus gespalten wird. Den Vogel schießt allerdings Thüringen ab, wo Ministerpräsident Ramelow plant, künftig nicht geimpfte Personen nicht mehr in Krankenhäuser zur Behandlung zu lassen. Abgesehen davon, dass dies vermutlich verfassungswidrig und ein Strafbestand ist, zeigt dieser Plan nur, dass die Verantwortlichen völlig die Kontrolle verloren haben. Aber auf die Idee, es einmal zusammen zu versuchen, beispielsweise durch eine Harmonisierung der Maßnahmen, kommen die Politikhelden auch nach zwei Jahren der Pandemie nicht.

Was soll eine 2G-Regel bringen? Sie könnte eine ganze Menge bringen, wären die Impfstoffe tatsächlich weitgehend wirksam. Sind sie aber nicht. So bietet der in Deutschland nach Kräften geförderte Impfstoff BionTech-Pfizer einen Schutz des Individuums von 50 bis 70 %, AstraZeneca liegt deutlich darunter. Die Chancen einer vollständig geimpften Person, das Virus einzufangen und weiterzugeben, liegen also bei rund 50 %. Und das bedeutet wiederum, dass Sachsen einerseits ungeimpfte, aber getestete Personen vom öffentlichen Leben ausschließt, andererseits aber dafür sorgt, dass es neue Cluster durch vermeintlich „sichere“ Personen gibt. Der Misserfolg der 2G-Regel ist programmiert.

Und Thüringen? - Nicht geimpften Personen den Zugang zu Krankenhäusern verweigern? Was ist das? Unterlassene Hilfeleistung? Fahrlässige Körperverletzung? Mit und ohne Todesfolge? Und auch Thüringen wird sich mit neuen Clustern auseinandersetzen müssen, die künftig eben von den „sicheren“ Personengruppen ausgelöst werden.

Und über allem schwebt der 25. November, der Tag, an dem die Bundesregierung offiziell die „epidemische Notlage“ für beendet erklären wird. Das passt ja. Abgesehen davon, dass wir es mit einer Pandemie und nicht mit einer Epidemie zu tun haben, könnte man den Eindruck gewinnen, dass die hohe Politik immer noch nicht den Unterschied zwischen beiden Phänomenen verstanden hat.

Die Experimente in Sachsen und Thüringen sind ebenso zum Scheitern verurteilt wie die „Freedom Days“ in Großbritannien oder der Niederlanden, wo man nach wenigen Wochen kleinlaut wieder die Barriere-Gesten einführen muss, da die Zahlen erneut explodieren. Doch die europäischen Regierungen und die Länderregierungen in Deutschland haben eines gemeinsam: Sie sind unfähig, Fehler einzugestehen und Strategien zu verändern, die sich als falsch herausgestellt haben. Bestes Beispiel: die Abschaffung der kostenlosen Tests, mit denen die Politik dafür gesorgt hat, dass das Erkennen von Infektionen ab sofort dem Zufall überlassen bleibt und das Infektionsgeschehen in den Untergrund verlagert wurde, wo es niemand mehr zeitnah verfolgen oder antizipieren kann.

Sind wir nun in der vierten oder der fünften Welle? So genau kann das niemand mehr sagen, die nächsten Varianten sind bereits unterwegs und trotz der letzten beiden Jahre, in denen alle Versuche gescheitert sind, das Virus einzudämmen, kommt die Politik immer noch nicht auf die Idee, dass man es vielleicht einmal gemeinsam versuchen sollte. Aber warum sollten die Politiker auch? Sie glauben ja immer noch, es handele sich um eine epidemische Notlage, die man auch lokal und regional bekämpfen kann. Vielleicht wäre es sinnvoll, würden sich die Virologen die Zeit nehmen, der Politik den Unterschied zwischen einer Epidemie und einer Pandemie zu erklären – vielleicht wäre dann der eine oder andere Lokalfürst eher bereit, sich beim Aushecken der nächsten Maßnahmen mit den Nachbarn abzustimmen.

Es ist traurig zu sehen, dass sich die Politik, speziell die europäische Politik, auch nach zwei Jahren weiter weigert, den einzigen Weg zu gehen, der zum Erfolg führen könnte – die internationale Kooperation und die Harmonisierung der Maßnahmen. Das Einzige, was wirklich prächtig klappt, ist der Vertrieb von Impfdosen, was die Aktionäre von Big Pharma glücklich macht. Schade, dass sich die Politik, auf regionaler, nationaler und europäischer Ebene dazu entschlossen hat, künftig nur noch als Erfüllungsgehilfe der Pharmaindustrie zu handeln. Dass dabei der Kampf gegen das Virus auf der Strecke bleibt, scheint kaum noch zu interessieren.

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