Die Globalisierung ist als Modell gescheitert

Einst dachten wir, dass gegenseitige wirtschaftliche Abhängigkeiten ein Garant für Frieden seien. Doch Kreml-Chef Putin zeigt, dass das nicht stimmt. Wir werden uns neu organisieren müssen.

Diese Art von Globalisierung kann es künftig nicht mehr geben. Foto: Markus Szyszkowitz / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0de

(KL) – Schon nach wenigen Stunden ist klar, dass die Ergebnisse der „Verhandlungen“ zwischen Russland und der Ukraine in der Türkei lediglich dazu dienen, der Roten Armee zu ermöglichen, sich neu aufzustellen, Truppen auszutauschen, Logistikwege neu zu gestalten. Die Bombenangriffe gehen weiter und Putin denkt gar nicht daran, diesen Krieg zu beenden. Allerdings ist es für ihn eine neue Erfahrung, dass ihm an jeder Stelle Widerstand entgegen schlägt. Selbst seine Ankündigung, dass künftig russisches Gas nur noch in Rubel bezahlt werden darf, musste er relativieren. Doch die kleinen „Erfolge“ gegen Putin haben lediglich aufschiebende Wirkung, der Krieg geht weiter und je mehr Widerstand Putin erfährt, desto härter werden seine Methoden. In Tschetschenien und Georgien können sie ein Lied davon singen.

Dass der Ukraine-Krieg bereits nach einem Monat weltweite Auswirkungen hat, ist überraschend. In Afrika kündigen sich Hungersnöte an, weil die ukrainischen und russischen Erzeuger von Grundnahrungsmitteln ausfallen, internationale Handesketten sind unterbrochen, in vielen Industrien fehlen heute bereits Rohstoffe und morgen die Energie, um produzieren zu können. Und wir stellen fest, dass uns die Globalisierung einen bösen Streich spielt.

Das Konzept der Globalisierung klang verlockend. – Man verlagert seine Produktion dorthin, wo die Arbeitnehmer am wenigsten verdienen und am wenigsten Rechte haben und verkauft seine Produktion dort, wo man am meisten Geld dafür erhält. In diesem Zusammenhang wurden in vielen Ländern komplette Produktionen eingestellt, da man im Vergleich zu Billiglohn-Ländern nicht mehr konkurrenzfähig war. Nutzte die Globalisierung vor allem dem Wild-West-Kapitalismus amerikanischer Prägung, stieg schnell die halbe Welt in dieses System des Lohn-Dumpings ein, denn dieses System garantierte und garantiert maximale Gewinne. Nur, es handelt sich um ein Schön-Wetter-System, das nur so lange funktionieren kann, wie alle Beteiligten gut miteinander auskommen. Und das ist nicht mehr der Fall.

Angesichts der ersten leeren Regale in den Supermärkten und angesichts der explodierenden Energiepreise, sieht die Globalisierung schon ganz anders aus. Vieles von dem, was täglich gebraucht wird, steht nicht mehr zur Verfügung, da wir selbst nicht mehr in der Lage sind, diese Dinge zu produzieren. Doch auf einmal kann man diese Dinge nicht mehr problemlos auf der anderen Seite der Welt ordern, weil es entweder Embargos gibt, die Märkte leergefegt sind oder Logistikwege unterbrochen werden. Und schon bricht das Schön-Wetter-Konzept der Globalisierung auseinander.

Dieses Phänomen begann bereits mit der Pandemie - als man in Europa nicht in der Lage war, so einfache Produkte wie Gesichtsmasken zu produzieren. Schlauerweise hatte auch ein Team junger Berater der französischen Regierung geraten, keine Lager dieser Masken vorzuhalten, „da man sie ja im Bedarfsfall in China bestellen kann“. Durch die Auflösung der Masken-Lager, so die Berater, könnte man jährlich 500.000 € einsparen. Wir leben ja in einer globalisierten Welt. Der Rest ist bekannt. Die französische Regierung kam monatelang nicht an Gesichtsmasken, log den Franzosen vor, dass das Tragen dieser Masken hochgefährlich sei, „da man am vom eigenen Atem produzierten CO2 ersticken könne“, bevor dann, nachdem man doch Masken kaufen konnte, das Nichttragen dieser gefährlichen Dinger mit 135 € Strafe belegt wurde. Der ideologische Glaube an die Globalisierung ist ein Irrglaube.

Inzwischen ist klar geworden, dass die Welt nicht so weitermachen kann wie bisher. - Die Globalisierung ist als Modell gescheitert. Ja, selbst zur Pertinenz des Kapitalismus wird man sich Fragen stellen müssen, denn dieses System ist, wie alle anderen Systeme auch, nicht mehr für die Welt des 21. Jahrhunderts nach der Technologischen Revolution geeignet.

Die Folgen dieser Entwicklung sind zum Teil schon klar und werden bereits einen Monat nach Kriegsbeginn öffentlich verkündet: Wir müssen ganz konkret und als erstes den Energie-Gürtel enger schnallen. „Freie Fahrt für freie Bürger“ war gestern, heute heißt es „langsam fahren, 100 km/h auf der Autobahn, Fahrgemeinschaften bilden, unnützes Herumfahren unterlassen“. Und das wäre ja wieder durchaus positiv.

So positiv, wie es auch positiv ist, dass die lokale und regionale Landwirtschaft wieder einen anderen Stellenwert bekommen wird, ebenso wie das Handwerk, die lokale Industrie, Nachhaltigkeit, und möglichst geringer Energieverbrauch wird bei allem wirtschaftlichen Handeln im Vordergrund stehen müssen, bei einer gleichzeitig sozialverträglichen Verteilung der Erlöse dieser Wirtschaft. Denn auch die ewigen Sozialkonflikte haben einen Preis, den wir uns künftig einsparen müssen, weswegen es Sinn machen würde, diese durch ein gerechtes Sozialsystem zu vermeiden.

Die Frage lautet nicht, OB diese Veränderungen kommen werden, sondern nur, in welcher Form. Und wer sie initiiert. Schlaue Regierungen, die ihre besten Köpfe in der Forschung und an den Universitäten darauf ansetzen, neue Politik-, Gesellschafts-, Wirtschafts- und Sozial-Modelle zu entwickeln oder – die Straße? So begeistert, wie die heute Verantwortlichen an grundlegende Reformen herangehen, muss man befürchten, dass es die Straße sein wird. Aber eines ist heute schon klar: Ein Zukunftsmodell ist die Globalisierung nicht.

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