Der Austausch läuft

Der Austausch von Geiseln in Gaza und gefangenen Palästinenern läuft. Die Feuerpause wird weitgehend eingehalten, doch die Anspannung sinkt kaum. Wie geht es weiter?

Die Verzweiflung derjenigen, die auf ihre Angehörigen warten, ist so gross wie die Erleichterung derjenigen, deren Angehörige freigelassen wurden. Foto: Chabad.org / Wikimedia Commons / CC-BY 2.0

(KL) – Nun ist eine dritte Gruppe von 17 Geiseln von der Hamas freigelassen worden, 14 Israelis und drei Ausländer, zu deren Identität es widersprüchliche Angaben gibt. Bereits zuvor waren 13 Israelis und 4 Ausländer freigelassen worden, am Freitag 24 Geiseln. Im Gegenzug wurden jeweils drei palästinensische Gefangene aus israelischer Haft pro freigelassener Geisel freigelassen. Dazu wird die für diesen Austausch vereinbarte Feuerpause zur Versorgung der Bevölkerung in Gaza genutzt, wo alleine gestern im Norden des Gazastreifens 61 LKWs mit Hilfsgütern ankamen. Doch was wird mit den übrigen Geiseln und wie geht es nach dieser Feuerpause weiter?

Für die freigelassenen rund 50 Geiseln und ihre Familien ist dieser Austausch natürlich eine nicht vorstellbare Erleichterung, doch für die Familien derjenigen Geiseln, die sich (hoffentlich) noch in der Hamas-Geiselhaft befinden, verschärft die Willkürlichkeit, mit der die Hamas bestimmte, wer gehen darf und wer nicht, die Situation ein weiteres Mal. Seit sieben Wochen müssen sie das Schlimmste für ihre Angehörigen befürchten und das unerträgliche Warten und Hoffen geht unvermindert weiter. Wie fühlt man sich, wenn die eigenen Angehörigen nicht zu den Freigelassenen zählen und man die Bilder anschaut, wie die freigelassenen Palästinenser von Hamas-Anhängern wie Helden empfangen werden?

Das Leben einer israelischen Geisel zählt also so viel wie das von drei palästinensischen Häftlingen. Auch das ist schwer für die Betroffenen nachzuvollziehen und angesichts des Umstands, dass sich niemand der Illusion hingibt, dass nach dieser Feuerpause die Spannung sinkt und man über eine Beendigung dieses seit dem 7. Oktober andauernden Albtraums verhandeln kann, wird sich bereits in wenigen Stunden oder Tagen die Situation für die Geiseln und die Angehörigen wieder verschlimmern, nämlich dann, wenn die Kämpfe und der Raketenbeschuss wieder losgehen.

Die Führer auf beiden Seiten haben bereits mehrfach angekündigt, wie sie sich die weitere Entwicklung vorstellen. Die Hamas hat wiederholt bekräftigt, bei der ersten sich bietenden Gelegenheit Aktionen wie am 7. Oktober wiederholen zu wollen, mit dem Ziel, den Staat Israel mit Hilfe ihrer Verbündeten auslöschen zu wollen. Die israelische Militärführung und die Regierung haben angekündigt, unmittelbar nach der Feuerpause den Kampf gegen die Hamas und die Suche nach den Geiseln wieder aufnehmen zu wollen und nichts deutet darauf hin, dass es nach dieser kurzen Atempause menschlicher weitergehen wird.

Dabei sind selbst die Feuerpause und der Geiselaustausch in Israel sehr umstritten. Nicht nur, dass die Freilassung von palästinensischen Kämpfern, die sich unter den freigelassenen Gefangenen befinden, in Israel für Unverständnis sorgt, dazu ermöglicht die Feuerpause der stark unter Druck geratenen Hamas, sich neu zu organisieren und neue Strategien zu entwickeln. Doch was wären die Alternativen gewesen?

Im Grunde muss man froh sein, dass diese Feuerpause und der Austausch nicht von neuen Gräueltaten der Hamas begleitet wurde, was darauf hinweist, dass die Terrororganisation zuletzt wirklich massiv unter Druck stand und dringend eine Pause brauchte, um sich neu aufzustellen. Doch wenn nun die Kämpfe mit neuer Intensität wieder aufflammen, die Hamas neue Kräfte schöpfen konnte und immer noch fast 200 Geiseln in der Hand der Terroristen sind, dann ist man wieder am Ausgangspunkt dieses Konflikts.

Natürlich, und das ist gar keine Frage, ist die Erleichterung über die Rettung von rund 50 Geiseln aus der Hand der Gefangenschaft der Hamas riesig und es kann sich wohl niemand die Erleichterung der Angehörigen und der freigelassenen Geiseln vorstellen. Doch es kann sich wohl auch niemand die Verzweiflung der Angehörigen derjenigen Geiseln vorstellen, deren Namen nicht auf der Liste derjenigen standen, die dem Roten Kreuz übergeben wurden.

Trotz der diplomatischen Bemühungen, die im Hintergrund auf Hochtouren laufen, wird sich an der Situation nicht viel ändern. Israel hat gar keine andere Option, als nach der Feuerpause den Kampf gegen die Hamas wieder aufzunehmen, die Hamas wird weiterhin die noch fast 200 Geiseln und die gesamte palästinensische Bevölkerung in Gaza als Schutzschild einsetzen und die Kämpfe und Bombardierungen, aber auch die dauerhaften Angriffe auf Israel von drei Seiten, werden weitergehen. Und so wird diese Feuerpause tatsächlich nicht mehr als eine Atempause gewesen sein, bevor die Kämpfe unvermindert weitergehen. Wo ist der Notausgang aus dieser Situation?

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.

*



Copyright © Eurojournaliste