8 Parteien gegen 1 Regierungschef

Israel hat eine neue Regierung - gibt es auch eine neue Politik?

Naftali Bennett führt nun eine wackelige 8-Parteien-Koalition in Israel. Foto: Tomer Neuberg / Flash90 / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0

(Karl-Friedrich Bopp) – Letzten Sonntag wählte die Knesset, das Parlament Israels, einen neuen Ministerpräsidenten, Naftali Bennet. Der bisherige Amtsinhaber Benjamin Netanjahu wurde damit erstmals nach 12 Jahren abgewählt. Politisch kann man das durchaus als Sensation bezeichnen. Mit einer zusätzlichen dreijährigen Amtszeit in den 90er Jahren war er immerhin der dienstälteste Ministerpräsident des Landes.

Israel und Netanjahu. Das waren über die Jahre Synonyme. Aber dieses Mal wollten es seine Herausforderer wissen. Eine bisher einmalige Achtparteienkoalition – die sogenannte „Koalition des Wandels“ – tat sich zusammen. Auch wenn sie hauptsächlich nur die eine Frage einte – sie drängten Netanjahu mit lediglich einer Stimme Mehrheit aus dem Amt.

Der 49-jährige Naftali Bennett ist somit der dreizehnte Ministerpräsident seit Gründung Israels vor 73 Jahren. Er führt politisch die bunteste Koalition an, die Israel je gekannt hat. Zwei Linksparteien, zwei Parteien des Zentrums, zwei vom rechten Spektrum und – ein Novum in der Geschichte Israels – eine arabische Partei. Berechtigt ist daher die Frage, wofür diese Koalition eigentlich steht.

Antworten auf die großen Herausforderungen zu finden wird jedenfalls nicht einfach. Ganz oben auf der Liste steht die Ankurbelung der Wirtschaft nach der Covid-19-Pandemie. Wichtige Themen wie der Friedensprozess und die Siedlungspolitik wurden dagegen erstmal hinten angestellt.

Es stellt sich daher die Frage, ob es in diesen Bereichen überhaupt einen Neuanfang geben wird. Bennett gilt als nationalreligiös, steht im politischen Spektrum noch weiter rechts als Netanjahu. Eine Wiederbelebung des Friedensprozesses ist mit ihm nicht zu erwarten, genauso wenig wie ein Neuanfang in der Siedlungspolitik. Auch eine Neuauflage des Atomabkommens mit dem Iran lehnt er ab. Klingt eher nach „Weiter so“ mit anderem Personal.

Einen Hoffnungsschimmer könnte es in zwei Jahren geben, vorausgesetzt, dass die Regierung so lange hält. Teil des Koalitionsvertrages ist, dass dann das Amt des Ministerpräsidenten vom liberalen Jair Rapid von der Zukunftspartei übernommen wird. Bis dahin wird er das Außenministerium führen und kann damit Diplomatie mit einem etwas ruhigeren Ton versuchen. Rapid hat einen für Politiker ungewöhnlichen Lebenslauf. Er hatte schon Erfolg als Journalist, Schauspieler und Romanautor. In zwei Jahren könnte er dann selbst Geschichte schreiben.

Auf Benjamin Netanjahu dagegen kommen jetzt erstmal gerichtliche Auseinandersetzungen zu, in denen er sich verschiedenen Korruptionsanschuldigungen stellen muss. Politisch ist bei ihm jedenfalls alles andere als Müdigkeit zu spüren. Eher ist von ihm eine scharfe und aggressive Opposition zu erwarten. „Wir werden bald wieder zurück sein!“ versprach der 71-jährige in seiner Rede vor der Knesset. Das klang beinahe wie eine Drohung…

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