Vor 10 Jahren – ein Attentat, das die Welt schockierte

Wie das Breivik-Attentat von 2011 die Gesellschaft Norwegens verändert hat.

10 Jahre nach dem schrecklichen Attentat von Utøya ist das Geschehen in Norwegen noch nicht aufgearbeitet. Foto: Rødt nytt / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 2.0

(Karl-Friedrich Bopp) – Am 22. Juli 2011 waren 500 Jugendliche der Sozialdemokratischen Partei Norwegens auf einem Sommercamp auf der Insel Utøya. An diesem Tag sollten 69 von ihnen durch die Schüsse des rechtsradikalen Terroristen Anders Breivik ihr Leben verlieren. Für Norwegen war das der Bruch ihrer bis dahin so heil erscheinenden Welt.

Von unserem mitteleuropäischen Selbstverständnis ist Norwegen das Beispiel für eine offene und tolerante Gesellschaft. Dieses Bild hat durch den fürchterlichen Anschlag Breiviks gelitten. Aber selbst den Norwegern ist 10 Jahre danach noch immer nicht klar, wie solch eine Tat in ihrem Land begangen werden konnte.

Auch Norwegen lebte nicht losgelöst von unserem Zeitgeist. Nationalismus und Fremdenhass hatten auch das Land mit den herrlichen Fjorden erreicht. Und da die 2011 regierenden Sozialdemokraten nach Ansicht Breiviks eine Politik des Ausverkaufs christlicher und europäischer Werte betrieb, galt es deren Jugendstruktur anzugreifen, um die Fortführung solch einer Politik zu verhindern.

Trotzdem, auf den ersten Blick hat sich die offene norwegische Gesellschaft nicht verändert. Allerdings erstaunt, dass anderweitig strittige Themen wie „Einwanderung“, „Asylrecht“ und „multikulturelle Gesellschaft“ öffentlich gar nicht mehr diskutiert werden.

Auch der Massenmord von Utøya wird heute im Alltag beinahe totgeschwiegen. Das tut insbesondere den Überlebenden des Anschlags weh. Wer das Attentat überlebt hat und die Stimme in der Öffentlichkeit erheben will, wird heute gar in den sozialen Netzwerken beschimpft und beleidigt.

Die öffentliche Aufarbeitung des Anschlags vom 22. Juli 2011 hat die politischen Lager eher voneinander getrennt als geeint. Für die einen war es ein Anschlag auf die Werte Norwegens, zu denen eine offene Gesellschaft gehört. Für die anderen war es nicht das Abbild einer politischen Gesinnung, sondern vielmehr die Einzeltat des krankhaften Gehirns von Breivik.

Daraus verbiete sich eine politische Betrachtung des Geschehenen. Dieser Teil der Gesellschaft will das Massaker am liebsten als ein einmaliges Geschehnis in Vergessenheit geraten lassen. Die Überlebenden würden durch ihre Erinnerungskultur den Bruch des „heilen“ Norwegens mitverantworten. Die digitalen Hassorgien im Netz sprechen jedenfalls eine andere Sprache. Eine öffentliche Debatte über die zukünftige Entwicklung der Gesellschaft im 21. Jahrhundert würde der norwegischen Politik daher vielleicht guttun.

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.

*



Copyright © Eurojournaliste