Der Beginn einer gemeinsamen Geschichtsbetrachtung

François Hollande und Joachim Gauck legen den Grundstein zum deutsch-französischen “Historial” auf dem Hartmannwillerkopf.

Ja, Gauck und Hollande gaben sich gestern die Hand. Unaufgeregt und authentisch. Foto: Kai Littmann

(KL) – Man kann dem französischen Präsidenten François Hollande vieles vorwerfen. Vieles davon sicherlich auch zu Recht. Auch Bundespräsident Joachim Gauck ist im politischen Berlin nicht unumstritten – vielen Berliner Platzhirschen ist Gauck zu wenig Grüßonkel und zu sehr politsches Gewissen der Bundesrepublik. Aber bei aller Kritik, eines muss man den beiden lassen – sie haben zusammen das letzte große Kapitel der deutsch-französischen Aussöhnung geschrieben. Und dafür gehört beiden ein Platz in den Geschichtsbüchern.

Letztes Jahr war Joachim Gauck der erste deutsche Politiker, dem der Zutritt in das Märtyrerdorf Oradour-sur-Glane gewährt wurde – an der Seite von Francois Hollande. Nun begingen beide am Sonntag die 100-Jahr-Gedächtnisfeier zum Ausbruch des I. Weltkriegs auf dem Hartmannwillerkopf im Oberelsass, einen bedrückenden Ort in der Mitte von Nirgendwo, an dem 30.000 französische und deutsche Soldaten ihr Leben lassen mussten. Für einen strategisch relativ unbedeutenden Posten, von dem man hinunter in die elsässische Ebene blickt.

Bei dieser Gedenkfeier in Präsenz von viel Politikprominenz aus beiden Ländern legten Hollande und Gauck auch gemeinsam den Grundstein für das neue “Historial”, das, so Hollande, der Beginn einer gemeinsamen Geschichtsbetrachtung sein kann und soll. Denn auf dem Hartmannwillerkopf liegen immer noch 12.000 tote Soldaten, die nicht identifiziert werden konnten und die demnach nicht zweifelsfrei als deutsche oder französische Opfer auszumachen sind. “Ab heute sollen das nicht französische oder deutsche Opfer sein”, sagte Hollande, “sondern unsere Toten”.

In seiner Antwortrede zeigte Gauck, was man in der Ausbildung zum evangelischen Pfarrer lernt. Er sprach frei und sehr persönlich und wiederholte dabei das Wort “Dankbarkeit”. Und dankbar dürfen wir Deutschen wirklich sein, dass uns Frankreich und ganz Europa nach den beiden Weltkriegen wieder in die europäische Familie aufgenommen hat.

Woraus wiederum eine Verpflichtung erwächst, dass Deutschland, zusammen mit dem französischen Partner, eine größere Rolle in den Bemühungen um Aussöhnung in den Konfliktherden der Welt spielt.

Der Hartmannwillerkopf, dessen “Historial” von zahlreichen öffentlichen und privaten Partnern aus der Region unterstützt wird (Städte, Region, Stiftungen wie die FEFA und andere), ist tatsächlich der Beweis, dass die Kriege vorbei sind und dass, wie Gauck betonte, der Begriff “Erbfeind” aus einer anderen Zeit und Welt zu stammen scheint.

Für ihren gemeinsamen Auftritt verdienten sich beide Präsidenten gestern auf jeden Fall Bestnoten. Was bei den vielen Punkten der Kritik ja auch mal gesagt werden darf.

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