Der Nahost-Konflikt spaltet Frankreich

8 Jahre nach den fürchterlichen Attentaten von Paris taumelt Frankreich zwischen Kampf gegen den Antisemitismus und der Unterstützung Palästinas und der Hamas.

Nach den schrecklichen Anschlägen 2015 in Paris wäre niemand auf die Idee gekommen, nach Rechtfertigungen für die Terroristen zu suchen. Foto: Gérard Colombat / Wikimedia Commons / CC-BY 2.0

(KL) – Es war am 13. November 2015. Terroristen töteten wahllos Besucher eines Konzerts im „Bataclan“, erschossen ebenso wahllos Gäste auf Café-Terrassen und versuchten, das Stade de France zu sprengen, wo an diesem Abend das Spiel Frankreich – Deutschland stattfand. In der Folge wurden die Terroristen gejagt, gestellt und diejenigen, die sich nicht umbrachten oder bei Schusswechseln mit der Polizei ums Leben kamen, landeten vor Gericht. Doch anders als heute, nach dem 7. Oktober, stellte damals glücklicherweise niemand die Frage nach eventuellen Hintergründen und Rechtfertigungen für diese terroristischen Massaker und niemand hätte es gewagt, Solidarität mit den Mördern zu zeigen. Doch heute ist das anders.

2023 klatschen politische Extremisten den Hamas-Terroristen auch in Frankreich Beifall. Mord, Vergewaltigung und Entführungen werden von Teilen des politischen Spektrums als „legitime Mittel des Befreiungskampfs“ entschuldigt und wer in Frankreichs extremer Linker „La France Insoumise“ nicht die politische Linie des greisen Parteichefs Jean-Luc Mélenchon teilt, der muss, wie François Ruffin und andere, schon nach Straßburg fahren, um seine Solidarität mit der jüdischen Gemeinde und dem Kampf gegen Antisemitismus zu bekunden, da dies in Paris als „nicht auf der Parteilinie“ unerwünscht ist.

Doch wie kann man nach Jahren des Kampfes gegen Gewalt gegen Frauen, Jahren der Friedensbewegung, Jahren des Kampfes für Gerechtigkeit, einer Terrorgruppe Beifall klatschen, die für genau das Gegenteil kämpft? Die Hamas tötet, vergewaltigt und verschleppt Zivilisten, Babys, alte Menschen, Holocaust-Überlebende und kündigt bereits an, dass sie erneut Massaker wie das am 7. Oktober verüben will. Dass es da politische Gruppierungen gibt, die dies als „legitim“ betrachten, ist unglaublich.

Bei vielen der großen pro-palästinensischen Demonstrationen in westlichen Ländern müssen palästinensische Frauen getrennt von den Männern demonstrieren und Europas extreme Linke klatscht Beifall. Dass Frauen bei den islamistischen Terroristen nur Wesen II. Klasse sind, das stört niemanden mehr. Niemand fordert mehr von der Hamas, ihre Angriffe einzustellen, die Geiseln freizulassen und ihre in den Tunneln gebunkerten Lebensmittel und Medikamente der Zivilbevölkerung zur Verfügung zu stellen. Doch wer hat eigentlich beschlossen, dass die Terrororganisation Hamas „Narrenfreiheit“ genießt, wer hat beschlossen, dass es in Ordnung ist, dass die milliardenschweren Hamas-Führer aus der sicheren Entfernung die Zivilbevölkerung in Gaza den Bomben der israelischen Armee aussetzt?

In Frankreich ist die Situation nicht viel anders als in anderen westlichen Ländern. Die Politik weiß nicht mehr, was sie tun soll. Während Präsident Macron Israel auffordert, seine Bombardements einzustellen (und symbolträchtig der Demonstration gegen Antisemitismus fernbleibt), vertritt Bundeskanzler Olaf Scholz die Ansicht, dass man der Hamas keine Feuerpause gönnen sollte, damit sich die Terrortruppe nicht neu organisieren und aufstellen kann. Nicht einmal Frankreich und Deutschland haben eine gemeinsame Position in dieser Frage und der Rest Europas ist ebenso zerrissen.

Bedenklich ist es allerdings, wenn diejenigen, die seit Jahren für Frauenrechte und gegen Gewalt gegen Frauen auf die Straße gehen, plötzlich Massenvergewaltigungen und das Abschlachten von Frauen und Babys als „gerecht“ und „legitim“ empfinden, und wenn diese Kämpferinnen für Frauenrechte kein Problem damit haben, dass ihre Geschlechtsgenossinnen nicht mit den Männern demonstrieren dürfen und klar als Menschen zweiter Klasse behandelt werden. Und zwar nicht etwa in Riyad oder Doha, sondern in London und Berlin.

Das Schlimmste ist, dass die Terroristen einmal mehr Erfolg haben. Wie bereits bei den Anschlägen auf das WTC in New York am 11. September 2001 schaffen es die Terroristen erneut, die Weltöffentlichkeit zu spalten und den Westen zu zwingen, Maßnahmen zu ergreifen, die eigentlich überhaupt nicht in unserem Wertekanon vorkommen.

Doch dass man 8 Jahre nach dem Gemetzel im Bataclan und in ganz Paris bereit ist, vergleichbare Massaker als „legitim“ zu bezeichnen, nur weil diese nicht in Paris, sondern in Israel stattfinden, ist unglaublich. Man stelle sich vor, jemand hätte in Frankreich nach dem 13. November 2015 für Verständnis und Unterstützung für den „Islamischen Staat“ geworben…

Die Welt ist heute unfähig, mit den beiden aktuellen Großkonflikten Ukraine und Israel/Gaza umzugehen und diese Unfähigkeit drückt sich in unsäglichen politischen Positionen aus. Und das ist ein ganz schlechtes Zeichen dafür, was als nächstes kommen wird…

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