Europa reagiert wie die USA nach den Anschlägen auf das World Trade Center 2001

2001 war es leicht, die Amerikaner für ihre repressive Reaktion auf die Anschläge vom 11. September zu kritisieren. Heute sind wir in der gleichen Situation und machen es auch nicht besser.

Das Entsetzen ist nach den Anschlägen von paris das gleiche wie nach den Anschlägen auf das World Trade Center 2001. Die Reaktionen sind auch die gleichen... Foto: U.S. Navy photo by 1st class Preston Keres / Wikimedia Commons / PD

(KL) – Wenige Stunden nach den Anschlägen von Paris hat Frankreich Stellungen des IS in Rakka bombardiert, der „Hauptstadt“ des „Islamischen Staats“, dort, wo man die Drahtzieher des Terrors vermutet, die weltweit Angst, Gewalt und Tod säen. Das kann man nachvollziehen, denn Frankreich wehrt sich gegen einen Angriff, den Präsident Hollande als „kriegerische Handlung“ bezeichnete. Gleichzeitig beschlossen die Verantwortlichen der europäischen Regierungen beim G20-Gipfel in der Türkei, die Zusammenarbeit der Geheimdienste zu intensivieren. Womit wir genau da ankommen, wo die USA nach „nine-eleven“ hinsteuerten – zu einem aufgeblähten Geheimdienstapparat, der ebenso wenig in der Lage sein wird, den internationalen Terrorismus zu stoppen wie die NSA in den USA – bei aller Hilflosigkeit will die Politik den Menschen zeigen, dass man reagiert.

Doch die in der Folge von „nine-eleven“ in den USA getroffenen Maßnahmen haben nicht nur den Terrorismus nicht verhindern können, sondern zu einer weiteren Eskalation der Lage beigetragen. Bürgerrechte wurden massiv eingeschränkt, die NSA entwickelte sich zu einem unkontrollierbaren „Staat im Staat“, dessen Handlungen rund um die Welt mit dafür gesorgt haben, dass die Spannungen immer größer statt geringer wurden und werden. Ähnliches wird jetzt auch in Europa zu erwarten sein, dabei verrät das martialische Auftreten der Verantwortlichen nur eines – die Ohnmacht gegenüber dem Phänomen „Terrorismus“, das man nicht in den Griff bekommen kann. Es sei denn, man hätte den Mut, sich wirklich mit den grundlegenden Ursachen des Terrorismus zu beschäftigen und zu akzeptieren, dass auch die westliche Welt einen großen Teil der Verantwortung dafür trägt, was in Syrien, im Irak oder in Afghanistan passiert.

IS-Stellungen zu bombardieren, das ist eine Maßnahme, für die Präsident Hollande Beifall erhalten wird und die als Reaktion absolut nachzuvollziehen ist. Ebenso kann man die Tatsache verstehen, dass Frankreich den Ausnahmezustand verhängt hat, seine Grenzen wieder kontrolliert und sich nun erst einmal sammeln will. Doch das wird leider den Terrorismus nicht verhindern. Im Gegenteil. Es steht zu befürchten, dass sich die Spirale der Gewalt weiter drehen wird und dass jede militärische Aktion Frankreichs im Alleingang erneute Anschläge nach sich ziehen wird.

Man sollte zumindest kurzfristig innehalten und genau überlegen, was man macht. Denn wir stolpern, genau wie die USA 2001, gerade in die Falle, die uns die Terroristen stellen – sie wollen den Krieg, die Angst und die Unsicherheit in unser tägliches Leben und unsere Länder tragen und die westlichen Gesellschaften erschüttern. Die USA sind im Jahr 2015 nicht mehr die gleichen wie 2001 – sie sind ein international verachteter Überwachungsstaat geworden, der alles, aber auch wirklich alles einer vermeintlichen Sicherheit unterordnet. Sogar seine engsten Partnerschaften. Was weder den Anschlag von Boston, noch die vielen religiös und weltanschaulich motivierten Attentate im Land selbst verhindert hat. Europa muss nun aufpassen, nicht mit gezückter Waffe und lautem „Hurra“ den gleichen Fehler zu begehen. Das ist nämlich genau das, was die Terroristen zu erreichen versuchen.

Frankreich kann sich auf die internationale Solidarität verlassen. Doch die darf sich nicht darauf beschränken, nun unsere Geheimdienste, die ohnehin massiv aufgrund ihrer illegalen Aktionen, hohen Kosten und ziemlichen Ineffizienz im Zentrum der Kritik stehen, so aufzurüsten, dass aus Europa die „USA 2.0“ werden. Dann hätten die Terroristen das erreicht, was sie wollten und die Spirale der Gewalt wird sich weiter drehen, der Krieg wäre endgültig im europäischen Hinterland angekommen. Diesen Triumph sollte man diesen Mördern nicht gönnen.

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