Der Zick-Zack-Kurs des Recep Tayyip Erdogan

Erst wollte der türkische Präsident NATO und EU erpressen, dann machte er plötzlich den Weg Schwedens in die NATO frei. Was da wohl für Deals eine Rolle spielten?

Auf Erdogans Wort kann man sich weder in Brüssel, noch in Moskau verlassen. Foto: Kremlin.ru / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Nach Monaten der Blockade hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan nun doch dem Beitritt Schwedens zur NATO zugestimmt. Zuvor hatte sich Erdogan intensiv mit dem amerikanischen Präsidenten Joe Biden ausgetauscht und Hintergrund für den plötzlichen Sinneswandel Erdogans dürfte ein Waffendeal sein, den Joe Biden fein als „ Bewegung bei der Lieferung von Kampfjets“ umschrieb. Moskau wird die Kehrtwende Ankaras in dieser Frage nicht sehr gefallen und die Türkei wird immer mehr zu einem Unsicherheitsfaktor für alle ihre Partner in West und Ost. Aber immerhin, Schweden wird zum 32. Mitglied der NATO. Ob Europa dadurch sicherer wird?

Knackpunkt war wohl die Lieferung von 40 amerikanischen Kampfjets des Typs F-16, ein Deal, den die USA der Türkei bislang verweigert hatten. Zwar sagte Biden, dass ein solcher Deal gar nichts mit der plötzlichen türkischen Zustimmung zum schwedischen NATO-Beitritt zu tun habe, sondern dass es sich um die „Verteidigung und Abschreckung im euro-atlantischen Raum“ handele, doch wird es schon einen Grund geben, warum Ankara innerhalb von Stunden seine Position geändert hat.

Vor seinem Abflug nach Vilnius zum NATO-Gipfel hatte Erdogan noch erklärt, dass es erst dann Gespräche über einen schwedischen NATO-Beitritt geben könne, wenn die türkischen Beitrittsgespräche zur EU wieder aufgenommen worden seien, doch auf dem Flug zwischen Ankara und Vilnius änderte Erdogan seine Meinung.

Schwedens Regierungschef Ulf Kristersson zeigte sich erleichtert. „Das ist ein guter Tag für Schweden gewesen“, sagte er am Montagabend in Vilnius, doch wie gut dieser Tag für Schweden, die NATO und den Westen war, wird sich erst in Zukunft zeigen. Und so endet das Kapitel der schwedischen Neutralität, der paranoide Kreml hat einen weiteren Vorwand für seine aggressive Politik, doch sollte man erst einmal durchatmen. Russland wird sich hüten, einen NATO-Staat anzugreifen, in einer Situation, in der es den Russen nur unter größten Anstrengungen gelingt, 15 % des besetzten ukrainischen Staatsgebiets in der Ostukraine zu halten. Russland verfügt gar nicht über die Ressourcen, weitere Länder anzugreifen (mit Ausnahme der Republik Moldau, wo in Transnistrien bereits die russische Armee stationiert ist), weswegen die Aufregung um den beschleunigten NATO-Beitritt Finnlands und Schwedens wohl auch gar nicht nötig war.

Auch, wenn man sich im Westen heute über die türkische Kehrtwendung freut, so bleibt die Feststellung, dass die Türkei ein sehr unzuverlässiger „Partner“ bleibt, der mit jedem paktiert, der bereit ist, mit Ankara zusammen zu arbeiten. Doch Erdogans Versuch, es gleichzeitig der NATO und Russland rechtzumachen, dürfte nicht hinhauen. In Brüssel und in Moskau traut niemand mehr dem Wort Erdogans. Und da stellt sich die Frage, was die Türkei eigentlich in westlichen Bündnissen zu suchen hat. Aber das ist eine Frage, um die man sich in Europa genauso wenig kümmern möchte wie um die Frage der EU-Mitgliedschaft Ungarns. Und nach dem Kapitel „Schweden“ steht in Vilnius ohnehin erst einmal die Ukraine auf der Tagesordnung. Und bei diesem Thema wird es schwierig. Die Welt blickt heute gespannt auf die litauische Hauptstadt…

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