Die Erniedrigung Griechenlands geht ungebremst weiter

Das griechische Parlament hat das Diktat der weiteren Einschnitte gebilligt - als Voraussetzung, dass man überhaupt wieder miteinander verhandelt.

Held einer griechischen Tragödie - um sein Land zu retten, muss Alexis Tsipras das Gegenteil dessen tun, was richtig wäre. Foto: Ferengi / Wikimedia Commons / CC-BY 2.0

(KL) – Am Ende könnte der Staatsstreich, an dem die EU, der IWF und die EZB in Griechenland seit geraumer Zeit basteln, doch noch funktionieren. Den Versuch sein Land zu retten, bezahlt Alexis Tsipras mit dem Zerfall seiner Syriza, die angesichts des europäischen Diktats kaum mehr als homogene Einheit zu betrachten ist. In der Nacht von Donnerstag auf Freitag verabschiedete das griechische Parlement die nächsten „Reformen“, wobei die Regierung auf die Stimmen der Opposition angewiesen war, die sich nun die Hände reibt. Und Alexis Tsipras wird zu einem tragischen Helden.

230 von 300 Abgeordneten stimmten für die beiden neuen Gesetze, nämlich die Umsetzung der europäischen Bankenrichtlinie, die vorsieht, dass Spareinlagen bis 100.000 € garantiert sind, während alle Guthaben, die darüber liegen, zur üblichen Rettung „systemrelevanter“ Banken einfach eingezogen werden können. Auf der einen Seite ist es richtig, dass auch vermögende Menschen zur Solidarität gezwungen werden, doch kommt man nicht um die Frage umhin, warum die Banken, denen Europa in den letzten Jahren immerhin 1,1 Billionen Euro zur Verfütgung gestellt hat, nicht auch einmal einen Beitrag zur Lösung des Desasters leisten müssen, das sie selber fabriziert haben. Immerhin, Wolfgang Schäuble wird sich mit maliziösem Lächeln die Hände reiben, dass selbst Yannis Varoufakis, der bei der Abstimmung zum ersten „Reformpaket“ (dem, mit dem unter anderem die Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel erhöht wurde) mit „Nein“ votiert hatte, diesen neuen Gesetzen zugestimmt hat. Was dann doch nach Resignation und dem Ende des Kampfes um eine neue Politikrichtung aussieht.

Das zweite Gesetz, das angenommen wurde, sieht eine Beschleunigung von Gerichtsverfahren vor. Was auf den ersten Blick gut klingt, nämlich nach einer Beschleunigung juristischer Abläufe, ist in Wirklichkeit der Anschlag auf alle kleinen Besitzer eines Häuschens oder einer Parzelle Land – Hintergrund des neuen Gesetzes ist es, dass private Kreditnehmer, die einen Hauskredit abstottern, bei Verzug in den Kreditraten, ruckzuck aus ihren Häusern herausgeklagt werden können. Angesichts einer Arbeitslosenquote von ungefähr 30 % kann man sich ausrechnen, was als nächstes passiert. Nämlich genau das, was auch in Spanien und Portugal passiert ist – die Menschen werden reihenweise aus ihren Häusern oder Wohnungen geklagt, was wiederum zu einer weiteren Verelendung der Bevölkerung führen wird.

Ebenso gefährlich wie diese erneute Erschütterung des sozialen Friedens, den die Europäer in guter Siegertradition diktieren, ist die damit verbundene Abschaffung der Demokratie. Immerhin hatten die Griechen in einem Referendum bereits gegen das erste „Reformpaket“ gestimmt und bekamen als Strafe für diesen Affront gegen das „Europa der Banken“ eine Reihe von Paketen aufgedrückt, die in ihrer Härte das erste Paket deutlich übertreffen. Hier sollte man einmal aufmerken – das reibungslose Funktionieren der „Märkte“ ist inzwischen wichtiger als die europäische Demokratie. Die Auswirkungen dieses Präzendenzfalls werden wir schon alle sehr bald zu spüren bekommen – nicht zuletzt, wenn die europäische Politik das TTIP-Abkommen schlucken wird und die Menschen in Europa anfangen dürfen, Steuern für Strafzahlungen an US-Unternehmen zu zahlen, die das Gefühl haben, keine optimalen Profitbedingungen in Europa vorzufinden. Spätestens dann werden wir merken, dass nicht nur die Griechen, sondern alle Europäer von den aktuellen Vorgängen betroffen sind.

Nun sollen bereits heute die Gespräche über ein drittes „Hilfsprogramm“ für Griechenland in Höhe von 86 Milliarden Euro starten. Business as usual. Man macht also mit den gleichen systemischen Fehlern weiter, vermutlich weil alle so auf ihre verengte Marktperspektive eingeschossen sind, dass sie gar nicht mehr in der Lage sind, nach kreativen Wegen zur Beendigung der Krise zu suchen. Yannis Varoufakis hat völlig Recht, wenn er sagt, dass dieses dritte Paket zum Scheitern verurteilt ist, bevor es überhaupt aufgelegt wurde. Denn auch diese 86 Milliarden Euro werden wiederum nicht dazu dienen, die griechische Wirtschaft anzukurbeln, Arbeitsplätze zu schaffen und damit einen Umschwung in Griechenland zu bewerkstelligen, sondern das Geld wird dazu eingesetzt werden, Kreditraten und Wucherzinsen an die Finanzorganisationen auszuzahlen, was bedeutet, dass sich an der Misere nichts ändern wird. Außer, dass „die Märkte“ und deren Erfüllungsgehilfen inzwischen die Macht in Griechenland übernommen haben.

Der Traum eines anderen, menschlichen Europas, für den Alexis Tsipras gekämpft hat, ist damit ausgeträumt. Das hässliche Europa der Schäubles, Dijsselbloems und Lagardes hat sich durchgesetzt. Wer da noch Beifall klatscht, ist selber Schuld.

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