Die wirklich wichtigen Themen

Ja, klar, der Schinken sollte langsam mal ausgetauscht werden - aber gibt's grad nicht dringendere Probleme? Foto: Moritz Schauenburg / Wikimedia Commons / PD

(KL) – Die Europawahl rückt unaufhaltsam näher, die USA, China, Russland und alle anderen zetteln Wirtschaftskriege an, der Klimawandel dürfte demnächst den Planeten unbewohnbar machen, die Populisten und Kriegstreiber greifen ungeniert nach der Macht, Flüchtlinge ertrinken im Mittelmeer, die Welt gibt unvorstellbare Summen für Waffen und Töten und nicht für Menschen und Leben aus und mitten hinein in diese hochbrisante Gemengelage traut sich Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow an ein wirklich wichtiges Thema heran: Er möchte eine Debatte darüber anstoßen, ob wir nicht eine neue Nationalhymne brauchen.

Da trifft Herr Ramelow einen sensiblen Nerv. Denn im Grunde ist es ja auch wirklich nervig, dass wir es nach dem II. Weltkrieg nicht geschafft haben, uns eine neue Nationalhymne zu geben, sondern lediglich die Strophen ausgetauscht haben. Und so singen wir vor jedem Länderspiel inbrünstig zum Soundtrack der Nazis „Einigkeit und Recht und Freiheit“, und inzwischen sind es nicht nur die Alten, die dann weitersummen „über alles in der Welt…“. Das ist doof. Wir bräuchten tatsächlich einen neuen Sound – das vor langen, langen Jahren von Hoffmann von Fallersleben auf Helgoland und eine Melodie von Joseph Haydn geschriebene „Lied der Deutschen“ hat ausgedient. Richtig, Herr Ramelow!

Aber das Timing, Herr Ramelow, das Timing! Man versteht zwar den Wunsch, inmitten der aufgeheizten und irgendwie bedrohlichen Themen einen politischen Kontrapunkt setzen zu wollen, und es ist auch klar, dass Themen wie „Ehe für alle“ momentan ausgelutscht sind, aber die Nationalhymne? Jetzt? Ernsthaft?

Könnte man sich nicht anders um das Thema kümmern? Vielleicht in Zusammenarbeit mit RTL? „Deutschland sucht die neue Nationalhymne“ oder so etwas? Und Sie, als Politiker, kümmern sich derweil um so nebensächliche Themen wie Neonazis, soziale Fragen und Wirtschaftsentwicklung? Oder die Rettung von Artenvielfalt, Klima und Umwelt? Oder eine nachhaltige Energiepolitik? Oder die Versorgung von Rentnern und sozial Schwachen? Oder, ganz aktuell, um die weitere Entwicklung Europas?

Irgendwie wird man das Gefühl nicht los, als wäre noch nicht allen so richtig klar, wo wir gerade stehen. Die Jugend Europas geht auf die Straße, um für die Klima-Rettung der Welt zu kämpfen. Die Gewerkschaften rufen nach sozialer Gerechtigkeit, wir müssen uns mit Terror, Kriegen, Neonationalismus und anderen Dingen auseinandersetzen. Da ist es wohl nicht der richtige Zeitpunkt, seine Zeit mit dieser unsäglichen Nationalhymne zu verplempern! Herr Ramelow!