Ein Bruch geht durch Europa – das Ost-West-Gefälle

Europa spaltet sich anhand der Flüchtlingsproblematik in zwei Lager. Die vier osteuropäischen Staaten, die sich einer europäischen Lösung verweigern, und die anderen.

Der selbst ernannte "Antidemokrat" Viktor Orbán stellt sich gerade ins europäische Abseits. Foto: Presidential Press and Information Office / kremlin.ru / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Ungarn, die Tschechische Republik, die Slowakei und Rumänien fühlen sich gerade ungerecht behandelt. Sie kritisieren das „Diktat“ aus Brüssel, das sie zur europäischen Solidarität verdonnert und dazu zwingt, ebenso wie die anderen europäischen Länder ein festes Kontingent an Flüchtlingen aufzunehmen. Diese vier Länder empfinden die europäische Solidarität als „Gängelung“ und werden es darauf anlegen, sich dem EU-Beschluss zur Verteilung von 120.000 Flüchtlingen zu widersetzen. Der innereuropäische Konflikt ist damit fest programmiert.

Unverständnis ruft natürlich hervor, dass drei EU-Mitgliedsstaaten von vornherein von der europäischen Asylpolitik ausgenommen sind – Dänemark, Großbritannien und Irland sind nicht betroffen und das ist nicht nur unverständlich, sondern auch nicht gerade förderlich, wenn es darum geht, eine allgemeine europäische Solidarität einzufordern. Doch ansonsten sind die Hintergründe der Verweigerung Ungarns, der Tschechischen Republik, der Slowakei und Rumäniens eigentlich skandalös. Alle vier Länder gehören zu den EU-Beitragsempfängern, die deutlich mehr Geld aus europäischen Töpfen erhalten als andere Länder. Der Großteil des EU-Haushalts wird traditionell von Deutschland, Frankreich und Großbritannien bestritten, was auch völlig in Ordnung ist, geht es diesen Ländern doch wirtschaftlich deutlich besser als anderen EU-Staaten. Dennoch muss man die vier „Verweigererländer“ darauf hinweisen, dass die EU kein Selbstbedienungsladen ist, aus dem man Gelder einfordert und die Solidarität Europas genießt, während man gleichzeitig selbst die Solidarität mit dem Rest Europas verweigert.

Natürlich muss man auch die jüngere Geschichte dieser Länder berücksichtigen, die von Jahrzehnten des „Warschauer Pakts“ geprägt war, in denen diese Länder nicht nur ihre Unabhängigkeit verloren hatten, sondern sich ihre Politik von Moskau diktieren lassen mussten. Insofern sind diese Länder vielleicht sensibler gegenüber Vorgaben, die aus Brüssel kommen. Nur, wenn ihnen diese EU-Mitgliedschaft so aufs Gemüt schlägt, dann sollten sie sich überlegen, ob sie überhaupt Mitglied sein wollen – auch Großbritannien wird sich diese Mitgliedschaft im Rahmen des anstehenden Referendums genau überlegen. Doch Solidarität ist keine Einbahnstraße, und das muss man auch in Budapest, Bukarest, Prag und Bratislava verstehen. Die Vorteile der EU nutzen und gleichzeitig die Belastungen durch die EU verweigern, das geht eben nicht.

Dazu kommt ein echtes „Werteproblem“ zwischen dem Osten und dem Westen Europas. Die Ansagen aus Bratislava und Budapest ähneln verdächtig den unsäglichen Parolen der „Pegida“ und Europa darf nicht zulassen, dass in seinem Rahmen ein widerlicher, neuer Nationalismus entsteht, der Hand in Hand mit der Diskriminierung Andersgläubiger geht – das hatten wir schon einmal im letzten Jahrhundert und wir wissen, wohin das führt.

Es kann nicht zu den „europäischen Werten“ gehören, die Tore für Flüchtlinge aus Kriegsgebieten zu verschließen, die versuchen ihr Leben zu retten. Angesichts der schieren Anzahl der Flüchtlinge muss allerdings auch ein Umdenken in Europa stattfinden, zumindest temporär, was Flüchtlinge anbelangt, die aufgrund einer schwierigen wirtschaftlichen Lage nach Europa wollen. So lange Hunderttausende Flüchtlinge aus Kriegs- und Bürgerkriegsgebieten zu uns strömen, haben diese, so schwierig das auch ist, eindeutig Vorrang vor Menschen, die aus anderen Gründen zu uns kommen wollen. Dies ist übrigens nicht nur eine Frage der Weltanschauung, sondern sogar des internationalen Rechts – denn laut Genfer Konvention haben wir gar nicht das Recht, Flüchtlinge aus Kriegs- und Bürgerkriegsgebieten abzuweisen. Und die aktuelle Notsituation sollte uns tunlichst nicht dazu verleiten, alle zivilisatorischen Errungenschaften der letzten Jahrhunderte über Bord zu werfen.

Ob es nun Ungarn, der Tschechischen Republik, der Slowakei und Rumänien passt oder nicht, sie werden sich der europäischen Solidarität anpassen oder aber die Konsequenzen ziehen und aus der EU austreten müssen. Andere Optionen gibt es leider nicht.

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