Frankreich zieht den „europäischen Verteidigungsfall“

Nach Artikel 42, Absatz 7 der Europäischen Verträge müssen die EU-Partner allen erdenklichen Beistand leisten. Aber man sollte schon einmal nachdenken, was genau eigentlich zu tun ist.

François Hollande agiert gerade wie 2001 George W. Bush. Das macht ihn zwar populärer, löst aber die aktuellen Probleme nicht. Foto: ActuaLitté / Wikimedia Commons / CC-SA 2.0

(KL) – So fangen Weltkriege an und wir wissen es, weil Europa genau das im letzten Jahrhundert gleich zweimal erlebt hat. Dass François Hollande, dessen kriegerische Antwort auf die Attentate von Paris weltweit Respekt und Anerkennung auslöst, in seiner Ohnmacht nun genau so reagiert wie 2001 George W. Bush, macht die Reaktion nicht richtiger. Klar ist, da hat Hollande Recht, dass die internationale Gemeinschaft den Islamischen Staat (IS) nur gemeinsam besiegen kann. Doch vielleicht sollte man sich die Frage stellen, wie man das am besten anstellt, statt blindwütig dort weiter zu machen, wo es bislang keinerlei Erfolge gab.

Amerikaner, Russen, Europäer – alle haben sich in Afghanistan, im Irak, in Syrien die Zähne ausgebissen, denn die Kriege, die dort stattfinden, finden eben nicht im „europäischen Format“ statt, sondern sind blutige Guerillakriege, geführt von kleinen, gut ausgebildeten Gruppen, die kaum greifbar sind. Seit geraumer Zeit wird bombardiert, doch haben die Bombardements keinerlei greifbares Ergebnis gezeitigt, keines der genannten Länder befrieden können, sondern im Gegenteil, die größte Flüchtlingswelle seit dem II. Weltkrieg ausgelöst. Doch wenn sich eine Taktik als falsch herausgestellt hat, dann wird sie nicht dadurch richtiger, dass man seine Partner auffordert einfach mitzumachen.

Dass der IS bekämpft, neutralisiert und geschlagen werden muss, darüber herrscht Einigkeit. Zumindest in der „zivilisierten Welt“, doch genau diese „zivilisierte Welt“ muss nun einen drastischen Richtungswechsel unternehmen, die eigenen goldenen Kälber schlachten, um endlich wirkungsvoll gegen die Terroristen des IS vorgehen zu können.

Die weltweit operierenden Großbanken arbeiten prächtig mit denjenigen Banken zusammen, über welche die Geldflüsse des IS laufen – solange niemand den Banken in den Arm fällt, kann man dem IS nicht seine Funktionsgrundlage entziehen. Das widerstrebt zwar den Interessen der Finanzmärkte, doch wird man sich entscheiden müssen, ob man die Sicherheit der Bevölkerung den Interessen von Banken und Spekulanten opfern will.

Gleiches gilt für unsere Rüstungsexporte – Deutschland ist drittgrößter, Frankreich viertgrößter Waffenexporteur der Welt. Und wir liefern weiter Waffen an Länder, von denen wir wissen, dass diese den IS unterstützen. Das nutzt vielleicht unser eigenen Waffenindustrie, dem „Wachstum“ und sichert Arbeitsplätze, doch genau diese Politik befeuert die Kriege, deren Auswirkungen nun in unseren Vorgarten schwappen. Da nützt es auch nichts, wenn man in seiner Verzweiflung Stellungen des IS bombardiert, während man gleichzeitig die Ausrüstung liefert, mit denen der IS weiterhin sein blutiges Werk verrichten kann.

Wir müssen umdenken, statt nun „Hurra!“ brüllend denjenigen hinterher zu laufen, denen wie den Amerikanern nichts anderes einfällt, als die Geheimdienste (die rund um die Anschläge in Paris wieder einmal vollständig versagt haben…) aufzurüsten und Luftangriffe zu fliegen, obwohl man weiß, dass diese nur dazu nützen, sich etwas besser zu fühlen. Der I. Weltkrieg begann genau so. Und wenn wir nicht aufpassen, wird auch der III. Weltkrieg so beginnen.

Statt Geheimdienste aufzurüsten, sollten wir lieber das Geld dafür in junge, intelligente und vor allem kompetente Hacker-Gruppen investieren, wie „Anonymus“ oder den „CCC“, die in der Lage sind, die Kommunikationsstrukturen des IS lahmzulegen oder gar zu vernichten. Diese Aufgabe inkompetenten Geheimdiensten zu überlassen, das wäre direkt der nächste Fehler.

Um den IS zu schlagen, braucht es mehr als nur dumpfes militärisches Säbelrasseln. Insofern sollte man die Solidarität, die Frankreich völlig zu Recht einfordert, natürlich leisten, doch im Rahmen einer vielschichtigen und intelligenten Strategie. Die nicht nur darin bestehen kann, Luftangriffe ins Nichts zu fliegen.

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.

*



Copyright © Eurojournaliste