Weißrussland gehört auf die internationale Anklagebank

Das Regime Loukaschenko führt seinen Gefangenen Roman Protassewitsch nach allen Regeln eines totalitären Systems vor. Die internationale Gemeinschaft muss schnell handeln.

Dieser Diktator aus längst vergangenen Zeiten muss international geächtet werden. Foto: Miłosz Pieńkowski / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Gewiss, die EU und andere Länder haben ihre Empörung über die Luftpiraterie des Regimes Lukaschenko und die völlig rechtswidrige Verhaftung des oppositionellen Journalisten Roman Protassewitsch geäußert. Die EU hat auch erste Sanktionen ausgesprochen, wie das Start- und Landeverbot für die weißrussische Fluglinie „Belavia“ und mehrere Fluglinien haben angekündigt, den Luftraum über Weißrussland künftig zu vermeiden. Aber diese Maßnahmen reichen nicht aus. Die Art und Weise, in der das Regime Loukaschenko seinen Gefangenen sich vor der Kamera lobend über seine Behandlung äußern lässt, erinnert an totalitäre und faschistische Systeme. Und das kann und darf man nicht akzeptieren.

In diesem Video erklärt Protassewitsch, dessen aufgequollenes Gesicht deutlich Spuren von Misshandlungen erkennen lässt, dass er sehr gut behandelt würde, dass er mit den Behörden kooperieren würde und dass er zugibt, an der Organisation aufrührerischer Aktivitäten beteiligt war. Dieses „Geständnis“ klingt stark nach einer unter Folter und der Androhung weiterer Folter erzwungenen Erklärung und bestätigt eigentlich in erster Linie das Gefühl, dass Weißrussland von einem faschistoiden Diktator geführt wird.

Der Westen ist nun in einer Zwickmühle. Einerseits verfügt der Westen über ein ganzes Arsenal an Sanktionen, die er gegen Minsk aussprechen kann, doch das Problem dabei ist, dass Sanktionen immer in erster Linie die Bevölkerung treffen. Doch diese Bevölkerung unterstützt den Diktator nicht etwa, sondern hat sich gegen ihn und seine Wahlfälschung erhoben, doch dieser Aufstand wurde blutig niedergeschlagen und heute sitzt fast die ganze Opposition in Haft, bis auf diejenigen, die sich in Nachbarländer wie Litauen flüchten konnten. Daher müssen die nun fälligen Sanktionen sehr sorgfältig gewählt werden und möglichst diejenigen persönlich treffen, die das System Loukaschenko tragen und von ihm profitieren, also die weißrussische Oligarchie. Einfrieren ausländischer Konten, Einreiseverbote für die Loukaschenko-Clique, Suspendierung von den internationalen Organisationen – das sind die Maßnahmen, die schnell getroffen werden können.

Der Akt der Luftpiraterie des Ryanair-Flugs zwischen Athen und Vilius war offensichtlich von langer Hand vorbereitet. An Bord der Maschine waren Agenten des weißrussischen KGB und es scheint ausgeschlossen, dass Loukaschenko einen solch brutalen Bruch des internationalen Rechts nicht ohne die Rückendeckung Putins gewagt hätte. Ist Putin gerade dabei, das „Pulverfass Zentraleuropa“ in Brand zu setzen. Bereits Ende April befürchteten Experten einen erneuten Angriff auf Luhansk und Donetzk, wo bereits heute russischstämmige Separatisten die Kontrolle haben. Vor einigen Wochen hatte Putin Streitkräfte an der Grenze zusammengezogen und „Manöver“ organisiert, was heftige internationale Reaktionen provoziert hatte. Da kommt der Zwischenfall von Minsk gerade Recht. Selbstverständlich steht Moskau fest an der Seite seines westlichen Satelliten und es ist völlig klar, dass die ganze Aktion nicht ohne Zustimmung Putins erfolgt wäre.

Die EU muss entschlossen handeln. Das ewige Argument, dass man „diplomatische Kanäle offen halten müsse“, um im Ernstfall weiter im Gespräch zu bleiben, ist hinfällig. Zum einen handelt es sich hier bereits um den Ernstfall und zum anderen ist der Loukaschenko-Clique ein wie auch immer gearteter Dialog mit der internationalen Gemeinschaft herzlich egal. Das einzige, was für Loukaschenko zählt, ist die Unterstützung Putins und die hat er.

Appelle und warme Worte nützen niemandem. Die „Empörung“ der internationalen Gemeinschaft tut Loukaschenko nicht weh. Aber ein Staat, der diese Art von Staats-Terrorismus betreibt, hat in der internationalen Gemeinschaft nichts verloren. Der Ausschluss aus der UNO, aus dem Europarat, aus allen internationalen Organisationen, so lange sich das Regime Loukaschenko mit militärischer Gewalt an der Macht hält, das sind die Maßnahmen, die jetzt anstehen. Dazu wäre zu überlegen, ob die weißrussische Opposition, deren wichtigster Sitz in Litauen ist, nicht massiv finanziell unterstützt werden kann, um ihren Kampf gegen dieses verbrecherische Regime fortzuführen. „Ja, aber ist denn das keine Einmischung in die inneren Angelegenheiten von Weißrussland?“, mag sich jetzt manch einer fragen. Doch, das ist es. Aber Loukaschenko hat sich bereits in die inneren Angelegenheiten der EU eigemischt, indem er rechtswidrig einen Flug zwischen zwei EU-Hauptstädten entführt hat, um einen oppositionellen Journalisten in die Hände zu bekommen.

Noch ist Roman Protassewitsch am Leben. Ganz offensichtlich erleidet er physische und psychische Folter. Das Video, von dem die weißrussischen Behörden behaupten, es sei ein „Geständnis“, ist vielmehr der Beweis für die Foltermethoden der Loukaschenko-Schergen. Und einmal mehr zeigt sich, dass die EU es nicht länger bei warmen Worten für Whistleblower belassen kann. Die EU hat bereits bei den Fällen Assange, Snowden und Manning fürchterlich versagt und trotz zahlreicher Aufforderungen nicht für nötig gehalten, ein „europäisches Asyl für politisch Verfolgte“ einzurichten. Und ebenso wie in den aufgeführten Fällen fehlt ein solches Asyl-Recht heute. Somit kann die EU gegenüber Minsk und Moskau nicht einmal fordern, dass Roman Protassewitsch in ein solches Asyl überstellt wird. Doch wer dieses Video anschaut, der merkt, dass Roman Protassewitsch nicht viel Zeit bleibt. Die EU muss handeln. Jetzt.

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