Ein rabenschwarzer Tag für Europe

Nach der britischen Entscheidung die EU zu verlassen, erkennt man, aus welcher Richtung der Wind weht, wenn man die Reaktionen der Politiker betrachtet.

Der "Brexit" wird eine Welle des Neonationalismus und des Neofaschismus in Europa auslösen. Nur ein "Europa von unten" kann uns davor retten. Foto: Bob Harvey / Wikimedia Commons / CC-SA 2.0

(KL) – „VICTORY“ twitterte die französische Rechtsextreme Marine Le Pen, „Es wird Feiern geben“, erklärte die rechtsextreme deutsche EU-Abgeordnete Beatrix von Storch (AfD), „Die Niederlande werden die nächsten sein, der Geist ist nicht wieder in die Flasche zu bekommen“, jubelte der rechtsextreme niederländische Populist Geerd Wilders. Europas Rechtsextreme freuen sich – und man spürt, wohin sich Europa entwickeln wird. Das Ergebnis des britischen Referendums ist eine Katastrophe für Europa.

Das politische Establishment reagiert, wie man es erwarten musste. Enttäuscht, aber mit dieser Spur „Realpolitik“, die zeigt, dass man selbst in politischen Spitzenpositionen nicht verstanden hat, worum es bei diesem Referendum wirklich ging. Dass es nun zu wirtschaftlichen Einbrüchen kommen wird, dass verhandelt werden muss, wie es mit dem Binnenmarkt und den Finanzmärkten weitergeht – geschenkt. Doch sind diese Überlegungen nebensächlich – was gestern und heute Nacht in Großbritannien passiert ist, wird wesentlich schlimmere Konsequenzen haben als ein paar wirtschaftliche Unsicherheiten. Denn das Votum der Briten ist der Auftakt zu einer Übernahme der europäischen Länder durch Ultranationalisten, Neofaschisten und andere höchst gefährliche politische Kräfte. Warum wohl jubeln heute die Rechtsextremen in allen europäischen Ländern?

Das Totalversagen der europäischen Politik ist nicht mehr wegzudiskutieren und an allererster Stelle tragen diejenigen die Schuld, die nur wenige Stunden nach Bekanntwerden des Ergebnisses aus Großbritannien schon von „harten Verhandlungen“ schwadronieren. Die Schäubles und Merkels, die Camerons und Hollandes, die Orbans und Ficos sind diejenigen, die dafür verantwortlich sind, dass Europa in Großbritannien die Quittung für Jahrzehnte dauerndes Versagen präsentiert bekommen hat. Die deutsche Austeritätspolitik hat die europäische Solidarität in ihren Grundfesten erschüttert und das Handeln eines Wolfgang Schäuble, der ¨Griechenland ausgeblutet hat, damit deutsche und internationale Banken gute Geschäfte mit dem Elend Südeuropas machen können, hat ursächlich dazu beigetragen, dass sich die Menschen von Europa abwenden. Das europäische Desaster zeigte sich dann in praktisch allen Dossiers, von der Flüchtlingsfrage bis hin zur faktischen Abschaffung von Schengen.

Das Europa, das wir kannten, gibt es nicht mehr. Und diejenigen, die es an die Wand gefahren haben, werden nicht in der Lage sein, ein neues Europa zu erfinden, das anders funktioniert. Das „neue“ Europa kann nur „von unten“ aufgebaut werden, nicht aber von denjenigen, die es ruiniert haben. Die Vorstellung, dass sich nun diejenigen an den Verhandlungstisch setzen sollen, die Europa sabotiert und zerstört haben, ist surrealistisch.

Bevor Europa nun endgültig in die Hände von Neonationalisten, Neofaschisten und anderem Gesocks fällt, muss gehandelt werden. Wir brauchen Europa-Konvente, die von der lokalen über die regionale auf die nationale Ebene laufen müssen, bevor dann ALLE Europäer und Europäerinnen darüber entscheiden sollen, wie es mit Europa weitergeht.

Diejenigen, die für das Auseinanderfallen Europas gesorgt haben, verfügen über keinerlei Mandat mehr, über die Zukunft Europas zu sprechen. Es ist allerhöchste Zeit, dass die gescheiterte Generation der ewig Gestrigen ihren Hut nimmt und Europa endlich der „Generation Erasmus“ überlässt, die eine ganz andere, positive, solidarische und von Werten geprägte Einstellung zu Europa hat. Die Epoche der Schäubles, Merkels, Camerons, Hollandes und all der anderen ist vorbei – sie sollen zurücktreten, bevor Europa sich wieder in das Zeitalter der Kleinstaaterei zurück entwickelt.

Doch das ist vermutlich nur ein frommer Wunsch. Die politischen Dinosaurier werden sich solange an ihrer persönlichen Macht festklammern, bis sie Europa ganz zur Strecke gebracht haben werden. Ein rabenschwarzer Tag für ganz Europa.

1 Kommentar zu Ein rabenschwarzer Tag für Europe

  1. Der Artikel spricht mir aus dem Herzen, und das, obwohl ich nicht selber zur Erasmus-Generation gehöre. Es ist völlig klar, dass diese ausschließlich ökonomischen Interessen dienende EU keine Möglichkeit mehr bietet, die neuen “alten” Kräfte in die Schranken zu weisen. Im Gegenteil.

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