Eiszeit in Europa – die Nationalisten haben Oberwasser

Ungarn, Polen, Dänemark – und nun auch noch, neben vielen anderen, Frankreich. Die Ultranationalisten sind im Vormarsch und niemand scheint sie aufhalten zu können.

Nicht nur in Frankreich wird das Eis für Demokraten immer dünner, sondern überall in Europa. Auch bei uns. Foto: Mummelgrummel / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Hat es jemals ein Beispiel in der Geschichte der Zivilisation gegeben, bei dem ein überzogener Nationalstolz etwas Positives hervorgebracht hätte? Hat es jemals die Unterdrückung von Minderheiten gegeben, die etwas Positives hervorgebracht hätte? Haben die zahllosen Kriege, die wir Europäer seit Menschengedenken geführt haben, jemals Frieden, Wohlstand und Sicherheit gebracht? Natürlich nicht. Und dennoch haben überall in Europa genau diejenigen Zulauf, die diese Dinge propagieren.

Ja, nun, werden Sie denken, ein Glück, dass wir Deutschen gegen diesen europäischen Trend zum Neonationalismus gefeit sind. Aber sind wir das wirklich? Sind WIR nicht Weltmeister? Im Fußball, im Export von Industriegütern und anderen Disziplinen? Waren WIR nicht alle Papst, als Benedikt XVI. gewählt wurde? Wird bei UNS nicht das Abendland verteidigt, indem Tausende auf der Straße Hassparolen grölen und dann Asylbewerberheime anzünden? Sind wir wirklich so weit von dem entfernt, was gerade vor den Augen des staunenden Europas in Frankreich passiert?

Immerhin steht heute die „Alternative für Deutschland – AfD“ in den Umfragen bereits an dritter Stelle in der Wählergunst, noch vor den Grünen, vor der DIE LINKE, vor der FDP (sowieso) und man sollte sich darüber im Klaren sein, dass der Aufstieg des Front National in Frankreich auch mit „kleineren“ Wahlerfolgen angefangen hatte. Ganz Europa berauscht sich heute an diesem neuen Nationalismus, der zwar etwas geschmeidiger daherkommt als die Sturmtruppen der Nazis, die in brauner Uniform die Innenstädte kurz und klein schlugen, doch sollte man einmal genau hinhören – die Parolen ähneln sich von Woche zu Woche mehr, ebenso wie die feigen Anschläge auf die schwächsten Mitglieder einer Gesellschaft, die schon bald nur noch aus Mitläufern und Außenseitern bestehen wird. Und zwar nicht nur in Frankreich, Polen, Ungarn, Dänemark und anderen Ländern, sondern auch bei uns.

Schon heute ist Bundeskanzlerin Angela Merkel laut einer Umfrage 48 % der Deutschen nicht mehr „rechts“ genug. Wie bitte? Zehn Jahre lang war Angela Merkel der Inbegriff für „rechts“ und nun ist sie nicht mehr „rechts“ genug?! Wo soll denn noch Platz rechts von Angela Merkel sein?

Der Neonationalismus in Europa ist eine ansteckende Krankheit, ein Flächenbrand, der, schenkt man den Lektionen der Geschichte Glauben, dazu führt, was unseren Kontinent Jahrhunderte lang geprägt hat – Krieg. Das war schon immer so und es gibt keinen einzigen Grund, warum es künftig nicht auch so sein sollte. Wer daran zweifelt, sollte sich daran erinnern, dass momentan europäische Soldaten die Stadt Rakka in Syrien bombardieren, wo 200.000 Menschen leben, die nicht alle IS-Terroristen sind, doch die Bomben, die dort abgeworfen werden, machen keine Unterscheidung zwischen Terroristen und zivilen Opfern. Wer also meint, Krieg sei keine Option, der sollte nur einmal in Richtung der Türkei schauen und dann noch einmal mit fester Stimme sagen, dass es nie wieder Krieg in Europa geben kann.

Dass die Franzosen gerade Panik bekommen und sich eine starke „Führerin“ wünschen, das kann man sich noch mit den Attentaten von Paris und dem notorischen Versagen der letzten französischen Präsidenten erklären, die mehr für die Schlagzeilen der Regenbogenpresse getan haben, als Schlagzeilen für die Politik-Feuilletons zu liefern. Aber wir in Deutschland? Wir haben uns inzwischen daran gewöhnt, dass Neonazis, schlägernde Glatzköpfe und ganz gewöhnliche Ausländerhasser jede Woche zu Tausenden aufmarschieren, Hassparolen brüllen, Journalisten zusammenschlagen und sich zu einem Mob entwickeln, von dem wir lieber den Blick abwenden. Dann sehen wir diese Schlägertrupps wenigstens nicht. Aber da sind sie trotzdem.

Das französische Wahlergebnis vom Sonntag sollte uns nachdenklich stimmen, doch auch nicht den Blick darauf verstellen, dass es bei uns nicht wesentlich besser bestellt ist. Die neue europäische Krankheit heißt Neonationalismus und diese widerliche Krankheit hat inzwischen große Teile unseres Kontinents angesteckt. Für „wehret den Anfängen“ ist es inzwischen schon zu spät. Die haben wir nämlich wieder einmal verschlafen.

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