Europa igelt sich immer weiter ein

Großbritannien macht es vor, die EU denkt laut darüber nach, es den Briten gleichzutun – überall in Europa beginnt der Kampf gegen Flüchtlinge. Europa, der Hort der Menschenrechte?

Flüchtlinge zu kriminalisieren ist eine moralische Bankrotterklârung. Foto: Irish Defence Forces / Wikimedia Commons / CC-BY 2.0

(KL) – Im Juli verabschiedete das britische Parlament ein Gesetz, das es illegal eingereisten Flüchtlingen verbietet, einen Asylantrag zu stellen. In ganz Europa klatschen Konservative und Rechtsextreme Beifall, denn man erhofft sich dadurch eine Absenkung der Zuwanderungszahlen. Damit entfernt sich Europa immer weiter vom Selbstverständnis als „Hort der Menschenrechte“, denn diese neue Regelung, die man auch in anderen Ländern kommen sieht, ist von schier unglaublichem Zynismus. Denn welcher Flüchtling kann schon „legal“ in Europa einreisen?

Das „britische Modell“ pervertiert das Recht auf Asyl. Denn nach wie vor weigert sich die EU standhaft, in Krisenzonen Asyl-Zentren einzurichten, in denen Flüchtlinge entweder einen positiven Bescheid für einen Asyl-Antrag erhalten und dann sicher einreisen könnten. Stattdessen stärkt die EU die Agentur Frontex, die sich einen negativen Ruf mit Praktiken wie „Push backs“ und die Zusammenarbeit mit den War Lords in Libyen erarbeitet hat. Doch das ist nicht alles – die EU finanziert weiterhin höchst zweifelhafte Regimes in Afrika und sorgt somit dafür, dass die Fluchtgründe nicht abreiβen.

Doch wie soll ein Mensch, der aus einem Krisengebiet in Afrika oder Syrien oder Afghanistan oder anderswo kommt, „legal“ in die EU einreisen, um dann dort einen Asylantrag zu stellen? Offenbar macht man sich in Brüssel und London keine Gedanken darüber, unter welchen Umständen Flüchtlinge ihre Heimat verlassen müssen, um ihr Leben zu retten.

Denn es geht um Flüchtlinge und nicht um wohlhabende Auswanderer, die einfach Lust haben, woanders zu leben. Es geht um Menschen, die alles hinter sich lassen mussten, um ihr Leben zu retten. In Europa hat man seit 1945 offenbar vergessen, dass Flucht keine Lustreise ist, die man im Heimatland vorbereitet, indem man zur Botschaft geht, ein Visum beantragt und dann ins Zielland fliegt.

Um eine Regelung einzuführen, dass nur legal eingereiste Flüchtlinge einen Asylantrag stellen können, muss man für Möglichkeiten sorgen, dass diese Menschen tatsächlich legal einreisen können. Diese Möglichkeit gibt es bis heute nicht. Eine legale Einreise zur Voraussetzung für einen Asylantrag zu machen, ist der Gipfel des Zynismus.

Dazu werden Flüchtlinge systematisch kriminalisiert. In Groβbritannien werden künftig illegal Eingereiste für 28 Tage in Haft genommen und dann in ein Drittland oder das Herkunftsland abgeschoben. Dies bedeutet nicht mehr und nicht weniger, dass Flucht ab sofort als krimineller Akt betrachtet wird und Menschen, die vor Krieg, Bürgerkrieg oder Hungersnot flüchten, wie Kriminelle behandelt werden.

Abgesehen davon, dass selbst diese zynische Regelung niemanden von dem Versuch abhalten wird, sein Leben zu retten, zeigt die EU immer mehr, wozu sie verkommen ist. Heute ist die EU treuer Partner und Finanzierer krimineller Regimes in Afrika und trägt somit aktiv zu den Gründen bei, die Menschen zur Flucht veranlassen.

Das Ganze erinnert stark an die Jahre des Nazi-Regimes, als Länder wie die Schweiz ebenfalls Jagd auf „illegal“ eingereiste jüdische Flüchtlinge machten und diese dann den Nazis auslieferten, was einem sicheren Todesurteil gleichkam. Damit verliert die EU das Recht, sich als „Hort der Menschenrechte“ aufzuführen. Die EU ist heute Komplize von Diktatoren und korrupten Regimes in denjenigen Ländern, aus denen die Menschen scharenweise flüchten. Es ist mehr als traurig zu sehen, wie die EU immer weiter moralisch verkommt – und dabei sind die aktuellen und kommenden Korruptionsskandale nur die Spitze des Eisbergs. Man darf gespannt sein, ob das institutionelle Europa bei der Europawahl 2024 dafür die Quittung bekommt.

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