Frankreich brodelt, Macron hüllt sich in Schweigen

Die vierte Demonstration gegen die geplante Rentenreform, aber inzwischen auch gegen Präsident Macron, hat wieder die Massen mobilisiert. Nur den Präsidenten interessiert das nicht.

In der Provinz verlaufen die Proteste absolut friedlich, es kommt soogar zu freundlichen Diskussionen zwischen Polizei und Demonstranten. Foto: Eurojournalist(e) / CC-BY 2.0

(KL) – Das Schweigen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron zu den seit dem 19. Januar 2023 andauernden Massenprotesten gegen seine geplante Rentenreform, aber auch gegen ihn persönlich, wird langsam immer peinlicher. Standhaft weigert er sich, die Millionen Demonstranten in Frankreich auch nur wahrzunehmen, stattdessen spielt er den (leider ebenso erfolglosen) Weltpolitiker. Zu den Demonstrationen, kein Wort. Doch mit dieser unglaublichen Haltung disqualifiziert sich Macron Woche für Woche ein wenig mehr als Präsident, der zwar ständig der Welt Lektionen erteilen will, aber sein eigenes Land nicht mehr im Griff hat. Die Mobilisation ist ungebrochen, die Wut der Franzosen steigt täglich und der Präsident verkriecht sich hinter seiner drittklassigen Regierung und traut sich nicht mehr, sich den Franzosen zu stellen.

Dies war nun bereits die 4. Demonstration seit dem 19. Januar, und seit Jahrzehnten hat es keine derartigen Proteste mehr gegen eine Regierung in Frankreich gegeben. Die geplante (und bereits entschiedene) Rentenreform ist dabei „nur“ noch der rote Faden dieser Demonstrationen, die sich inzwischen in erster Linie gegen einen höchst seltsamen Präsidenten und das von ihm verkörperte neofeudale Gesellschaftssystem richten, das in Paris aus einer anderen Epoche zu stammen scheint. Nur – selbst ein absoluter Monarch kommt nicht umhin, ab und zu wenigstens mit seinem Volk zu reden, wenn dieses kurz davor steht, den sozialen Konflikt mit Gewalt auf der Straße zu lösen. Seltsamerweise scheint es so, als sei es genau das, was Macron will – ein Armdrücken mit seinem Volk, um diesem seinen ebenso seltsamen Willen aufzuzwingen. Doch sein Schweigen ist in erster Linie der Ausdruck der unglaublichen Geringschätzung, die Macron seinen Landsleuten entgegenbringt.

Die Demonstrationen gestern verliefen sehr unterschiedlich zwischen der Hauptstadt Paris und den Städten in der Provinz. Während in Paris Hundertschaften von CRS-Truppen in voller Kampfmontur versuchten, eine hochkonfliktuelle Situation zu schaffen, um Vorwände für besonders hartes Eingreifen und die damit verbundene Diffamierung der Demonstranten zu finden, verliefen die Demonstrationen in den Städten der Provinz, wie bereits bei den drei letzten Großdemonstrationen, absolut friedlich. Offenbar hat man im Elysee-Palast immer noch nicht begriffen, wer da eigentlich demonstriert und dass man den friedlichen Protest von Millionen Franzosen nicht einfach als „Aktionen von Chaoten“ darstellen kann.

Ob es nun in Straßburg, Toulouse, Bordeaux oder Nantes 8000, 12000 oder 20000 Demonstranten waren, ist völlig egal. Die Mobilisierung läuft quer durch die französische Gesellschaft und sollte Macron tatsächlich glauben, dass er diesen Unmut in der Bevölkerung einfach aussitzen und totschweigen kann, dann sollte er schleunigst seine Berater und andere Hofschranzen auswechseln und durch solche ersetzen, die ihm wenigstens sagen, zu was für einem Pulverfass Frankreich gerade wird.

Bis auf ein paar Jünger, die immer noch an den „Zauber der Macronie“ glauben, wenden sich die Franzosen inzwischen immer mehr von einem Präsidenten ab, der nur deshalb noch im Amt ist, weil seine Gegenkandidatin 2022 die Rechtsextreme Marine Le Pen war. Jetzt wird es langsam interessant, bei den Londoner Buchmachern Wetten darauf abzuschließen, ob Macron es schafft, sich bis zu den nächsten Wahlen 2027 im Amt zu halten. Wären nächste Wochen Neuwahlen, hätte es Macron schwer, in den 2. Wahlgang zu kommen.

Schuld an dieser Entwicklung sind nicht etwa diejenigen, „die nichts sind“, wie sich Macron gerne ausdrückt, sondern ein Präsident, der weder seinem Amt, noch seinen Aufgaben gewachsen ist und bei dem man jetzt sogar Angst erkennt – der Mann traut sich in dieser Situation nicht mehr, zu den Franzosen zu sprechen oder sie gar zu treffen. 2027 ist noch weit weg, doch die Götterdämmerung des wohl seltsamsten Präsidenten der V. Republik hat längst begonnen.

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