Frankreich organisiert seinen eigenen „Big Brother“

Das vom Parlament verabschiedete Überwachungsgesetz schafft Instrumente, mit denen die Geheimdienste unseres Nachbarlands so ziemlich alles dürfen…

DIE wurde vom französischen Parlament abgeschafft. Fragt sich, wann "Egalité" und "Fraternité" dran glauben müssen. Foto: Eurojournalist(e)

(KL) – Trotz zahlreicher Proteste hat die Assemblée Nationale, das französische Parlament, das neue Überwachungsgesetz mit 438 Ja-Stimmen (bei 86 Gegenstimmen und 42 Enthaltungen) gebilligt. Damit hat sich Frankreich ein Instrument geschaffen, das den Franzosen künftig noch viel Ärger machen wird. Denn das, was die deutschen Geheimdienste seit Jahren illegal veranstalten, dürfen ihre französischen Kollegen künftig ganz legal tun.

Das Gesetz nimmt vor allem die Internet-Provider in die Pflicht, die den Geheimdiensten so ziemlich alle Daten zur Verfügung stellen müssen, die diese haben wollen. Und wenn es den Geheimdiensten nicht schnell genug geht, dann dürfen sie auch gerne mal selber bei den Providern vorbeischauen und dort einsammeln, was sie haben wollen. Um den Schlapphüten die Arbeit zu erleichtern, dürfen die Geheimdienste auch direkt so genannte „Black Boxen“ mit eigenen Algorithmen bei den Providern einrichten, mit denen dann die Daten direkt nach von den Geheimdiensten definierten Parametern abgegriffen werden. Wenn dabei ein Provider nicht voll und ganz mitwirkt, wird es teuer – Strafgelder in Höhe von 375.000 € erwarten diejenigen, die nicht alle gewünschten Daten sofort bereitstellen.

Offenbar verfolgen unsere französischen Nachbarn keine Nachrichten aus Deutschland, wo sich der BND-Skandal langsam zur Regierungskrise auswächst. Doch das, was bei uns gerade ein Skandal ist, wird in Frankreich gerade mehr oder weniger legalisiert. Wie gefährlich dieses Vorgehen ist, kann man sich mit einem kleinen Beispiel besser vorstellen.

Nehmen wir mal an, dass in Frankreich die Regierung wechselt und beispielsweise eine rechtsextreme Partei an die Macht kommt, was ja bereits 2017 der Fall sein könnte. Diese neue Regierung beschließt nun für sich, dass man nicht nur potentielle Terroristen aufs Korn nehmen möchte, sondern grundsätzlich bestimmte Bevölkerungsgruppen einer Totalüberwachung unterziehen möchte. Zum Beispiel Muslime, Juden, politische Gegner, Homosexuelle oder Dackelzüchter. Dann reicht es nach dem neuen Gesetz, dass ein paar Schlapphüte bei den Providern eindringen, die dort von ihnen selbst installierten Abhörsysteme leicht umprogrammieren und schon sind alle oben genannten Gruppen einer Vollüberwachung ausgesetzt. Und zwar mit wenigen Klicks.

Nun stelle man sich einmal vor, politische Systeme wie Nazi-Deutschland hätten über solche technologischen Mittel verfügt… klar, auch das französische Gesetz sieht vor, dass es für solche Maßnahmen richterliche Genehmigungen braucht – aber das wäre auch in Deutschland theoretisch erforderlich. Da muss man jetzt nur noch ganz fest daran glauben, dass sich die Geheimdienste auch an die rechtlichen Vorgaben halten. Und um daran zu glauben, muss man schon reichlich naiv sein. Geheimdienste halten sich nirgendwo an rechtliche Vorgaben, was wir ja gerade in Deutschland konkret erleben, wo die Geheimdienste ein Eigenleben entwickelt haben, das sich inzwischen jeder demokratischen Kontrolle entzieht.

Mit dem gleichen blinden Fanatismus, den man ja mit solchen Gesetzen bekämpfen will, hebeln die westlichen Länder gerade die bürgerlichen Freiheiten aus und schaffen dabei Instrumente, mit denen in den falschen Händen eine Art „technologischer Totalitarismus“ entsteht, mit dem morgen schon diejenigen, die sich dagegen zur Wehr setzen, verfolgt werden können. Die Terroristen aller Couleur, die es darauf abgesehen haben, die westlichen Demokratien zu destabilisieren, haben damit den Erfolg gehabt, den sie haben wollten. Die Demokratie schafft sich selber ab und ersetzt sich durch eine „technologische Diktatur“, die künftig jeden ausschalten kann, der ihr nicht in den Kram passt.

Anstatt die Ursachen von Terrorismus und der Radikalisierung zu bekämpfen, stellt man nun in den westlichen Ländern die gesamte Bevölkerung unter Generalverdacht. Dass man dabei Instrumente schafft, mit denen man allen Arten der Repression Tür und Tor öffnet, werden die Menschen erst dann merken, wenn es zu spät ist.

Zwar muss das jetzt beschlossene Gesetz noch dem Senat vorgelegt werden, doch der hat in Frankreich nichts zu sagen. Sollte der Senat nicht zustimmen, kann er in erneuter Lesung im Parlament überstimmt werden. Zwar besteht noch die Möglichkeit, den Verfassungsrat anzurufen, doch dieser wird das Gesetz auch nicht kippen. Womit sich Frankreich auf den Weg zum Überwachungsstaat macht. Die Terroristen dieser Welt können sich die Hände reiben – die Destabilisierung der demokratischen Welt geht weiter.

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