Das kurze Gedächtnis…

Bei den Vorwahlen der Sozialisten für die Präsidentschaftswahlen in Frankreich hat Manuel Valls die Stichwahl am nächsten Sonntag erreicht. Mit dem Slogan „Eine schöne Idee von Frankreich“. Aha.

So richtig wohl scheint sich "Mutti" in Manuel Valls Gegenwart nicht zu fühlen... Foto: Eurojournalist(e)

(KL) – Nach dem überraschenden Ergebnis vom Sonntag, als Outsider Benoît Hamon die Vorwahlen der Sozialisten gewann und der gerade eben erst zurückgetretene Premierminister Manuel Valls auf Platz 2 landete, überschlagen sich nun wieder alle, die sich dazu berufen fühlen, mit „Wahlempfehlungen“ für die Stichwahl am nächsten Sonntag. Dabei ist erstaunlich, wie kurz das Gedächtnis der Wählerinnen und Wähler zu sein scheint.

„Une belle idée de la France“, so der Wahlslogan von Manuel Valls, der sich wieder einmal als Hoffnungsträger für Frankreich präsentiert. Und das glauben ihm auch viele – und vergessen dabei völlig, dass der Mann vom 31. März 2014 bis zum 6. Dezember 2016 Frankreichs Regierungschef und Premierminister war und in diesen zweieinhalb Jahren nicht viel dafür unternommen hat, dass sich Frankreich „eine schöne Idee“ von sich selbst machen kann.

Nur 7 Wochen nach seinem Rücktritt als Premierminister, den viele Beobachter mit dem Satz „die Ratten verlassen das sinkende Schiff“ kommentierten, will Manuel Valls nun also alles anders machen. Frankreich reformieren. Die Arbeitslosigkeit senken. Frankreichs Position in Europa stärken. Die Welt in einen besseren Ort verwandeln. Und seltsamerweise stellt ihm niemand die Frage, warum er das eigentlich in den vergangenen zweieinhalb Jahren nicht getan oder wenigstens damit begonnen hat.

Haben die Franzosen tatsächlich in nur sieben Wochen verdrängt, dass Manuel Valls ein sehr großes Stück Verantwortung am aktuellen Zustand des Landes trägt und dass er, nach Emmanuel Macron, das zweite Mitglied der Regierung war, das diese verlassen hat, um seine eigenen persönlichen Ambitionen zu verfolgen? Und warum hat das politische Establishment so viel Angst vor Benoît Hamon ? Weil der Mann mit frischen Ideen antritt und offenbar die Mehrheit der linken Wählerschaft hinter sich bringen kann? Alleine das wäre ein guter Grund, für ihn zu stimmen…

Im Gegensatz zu Emmanuel Macron, dem realistische Chancen auf den Einzug in die Stichwahl im März und damit sogar Chancen auf die Präsidentschaft eingeräumt werden, geht es bei Manuel Valls vermutlich nur darum, ob er 3. oder 4. der Präsidentschaftswahlen (sollte er doch die Vorwahlen am nächsten Sonntag gewinnen) werden könnte, echte Chancen auf das Amt hat er eigentlich nicht. Und dennoch ist es interessant zu sehen, welche französischen Politiker auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene nun die Werbetrommel für Valls rühren. Ist das ein letztes Aufbäumen des politischen Establishments, das gerade ernsthafte Auflösungserscheinungen zeigt? Lieber jemanden nehmen, von dem man weiß, dass man nichts von ihm zu erwarten hat als sich für echte Alternativen zu entscheiden?

Im März werden wir mehr wissen, doch eines kann man jetzt schon festhalten – der französischen Politiklandschaft fehlt es wirklich an Format, wenn sich jemand wie Manuel Valls ernsthaft Hoffnungen machen kann, als „Belohnung“ für zweieinhalb Jahre des erfolglosen Herummachens als Regierungschef Kandidat für das höchste Staatsamt werden zu können. Erschreckend.

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.

*



Copyright © Eurojournaliste