Gegen die Politikverdrossenheit junger Menschen

Der französische Verein ANACEJ will die Politikmüdigkeit bei jungen Menschen in politische Aktion umwandeln. Mit guten Ideen, aber auch mit Samtpfötchen...

Das Desinteresse junger Menschen an der Politik kommt daher, dass sie das Gefühl haben, ohnehin nicht ernst genommen zu werden. Foto: Sidney Smith / Wikimedia Commons / CC0

(KL) – Die Feststellung von Matthieu Cahn, Vizepräsident der Eurometropole Straßburg und Präsident des Vereins ANACEJ (Nationaler Verein der Kinder- und Jugendräte), überrascht niemanden: „Man muss einräumen, dass sich Jugendliche nicht für Wahlen interessieren.“ Das hatten wir, ehrlich gesagt, schon ein klein wenig befürchtet. Um herauszufinden, warum das so ist, hat dieser Verein vom Think Tank „Civic Planet“ eine Untersuchung anfertigen lassen, die im Umfeld der OB-Wahlen in Straßburg und der Europawahl 2014 durchgeführt wurde, wie die Kollegen der Straßburger Tageszeitung DNA berichten. Und jetzt arbeitet man an Ideen, wie man Jugendliche zu mehr Begeisterung für den Politikbetrieb bewegen kann.

Zwei Vorschläge stehen dabei im Mittelpunkt – einerseits die Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre und andererseits die obligatorische Wahl, also die Pflicht (bei Strafandrohung), tatsächlich wählen zu gehen. Allerdings reflektieren beide Vorschläge nicht das bei der Studie ermittelte Hauptproblem. 71 % der bei der Studie befragten jungen Menschen zwischen 16 und 25 Jahren gaben nämlich an, deshalb nicht wählen zu gehen, „weil die Politiker so viel lügen“.

Das Ansinnen des Vereins ANACEJ ist absolut richtig, man muss etwas machen, um junge Menschen zurück zur Politik zu bringen. Doch ganz uneigennützig ist das Vorgehen des Vereins und des Sozialisten Matthieu Cahn vermutlich auch nicht – der Hintergedanke, dass junge Leute eher „links“ als „konservativ“ wählen könnten, spielt sicher eine Rolle. Aber wenn man sich da mal nicht täuscht – angesichts der zum Teil sehr jungen Kandidatinnen und Kandidaten des Front National bei den jüngsten Departementswahlen und bei den Regionalwahlen im Dezember, könnte dieser Schuss auch nach hinten losgehen. Die ausländerfeindlichen und populistischen Parolen der Rechtsextremen verfangen leider bei jungen Wählerinnen und Wählern ziemlich gut. Nichtsdestotrotz muss man feststellen, dass die Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre prinzipiell eine gute Sache ist, zwingt sie doch das politische Establishment, sich verstärkt um Themen zu kümmern, die kommenden Generationen am Herzen liegen.

Ob man allerdings Nichtwähler ebenso bestrafen soll wie Falschparker, ist eher fraglich. Ein solches Vorgehen dürfte die Ausübung des demokratischen Grundrechts kaum attraktiver machen, ganz im Gegenteil. Und auch der Vorschlag, „in Zeiten von Wahlkämpfen politische Debatten in den Schulen zu intensivieren“, ist mit Vorsicht zu genießen. Mehr Sinn würde es machen, diese Debatten nicht nur auf Wahlkampfzeiten zu reduzieren, in denen Politiker potentiellen Wählerinnen und Wählern gerne das Blaue vom Himmel versprechen, sondern eine dauerhafte Kultur der politischen Debatte einzuführen. Das nämlich würde mehr Nachhaltigkeit ins politische Bewusstsein junger Menschen bringen.

Und ein Vorschlag fehlt auf der Liste des Vereins völlig, dabei sollte er fast automatisch aus den Ergebnissen der Studie hervorgehen: Wenn 71 % der Jugendlichen nicht wählen gehen, „weil die Politiker so viel lügen“, dann wäre es doch mal ein sinnvoller Ansatz, wenn die Politiker ein wenig weniger lügen würden…

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