Gebietsreform: Eine Demonstration, die Fragen aufwirft

Angesichts der Nebentöne, die am Samstag bei der Demonstration für einen „Elsässischen Einheitsrat“ in Straßburg zu hören waren, stellen sich einige Fragen.

Eine seltsame Koalition aus konservativen und ultrakonservativen brachte unschöne Nebentöne in die Demonstration am Samstag in Straßburg. Foto: Palacre / Wikimedia Commons / CC0

(KL) – Das Elsass jubelte am Samstag, es jubelte am Sonntag und es jubelte auch noch am Montag. „Hallo? Paris?“ titelten die Kollegen der Straßburger DNA, als ob Paris gerade auf etwas anderes hören würde als auf die Slogans von Formationen wie „Elsass frei“ und die Pfiffe, die sich am Samstag auf dem Place de Bordeaux unter die französische Nationalhymne mischten. Das sind Zeichen, die in Paris vermutlich nicht so gerne gehört werden.

Die elsässischen Konservativen, die von einem „Elsässischen Einheitsrat“ träumen, sollten genauer hinschauen, mit wem sie da gerade gemeinsame Sache machen. Denn die geplante Gebietsreform ist sicherlich noch unausgegoren, es fehlen natürlich noch viele Informationen, doch sollte das kein Anlass sein, sich vor den Karren ewiggestriger Autonomisten spannen zu lassen – denn dann dürfte auch in Paris die Bereitschaft zur weiteren Diskussion der Gebietsreform gegen Null sinken.

Natürlich waren in Straßburg viele Menschen auf der Straße. Doch stellten die Demonstranten im besten Fall ein halbes Prozent der elsässischen Bevölkerung dar – ein halbes Prozent! Was bedeutet, dass 99,5 % der Elsässer keinen Anlass sahen, für eine mehr oder weniger eigenständige Region Elsass zu demonstrieren. Was dann auch nur noch schwer als „Bürgerbewegung“ zu bezeichnen ist.

Somit hätte die Demonstration, für die es gesponserte Bahntickets aus dem ganzen Elsass für nur 5 € gab, ihren Zweck verfehlt. Schlimmer noch – selbst diejenigen, die eigentlich einer Region Elsass ohne Lothringen und ohne Champagne-Ardennes positiv gegenüber stehen, müssen sich nun die Frage stellen, ob sie nicht gerade dabei sind, mit rechtskonservativen Autonomisten ins intellektuelle Bett zu steigen.

Da nützen auch nicht die über gewölbten Bäuchen gespannten Bürgermeisterschärpen, die am Samstag die Szenerie vor der Bühne beherrschten. Das gewollte Signal („Alle sind für die Region Elsass“) kam nicht an. Sondern eher das Gefühl, dass dort eine seltsame, fast explosive Mischung konservativer und ultrakonservativer Kräfte vor allem gegen alles ist, was eine Veränderung herbeiführen könnte.

Die Sozialisten im Elsass müssen eigentlich gar nichts machen. Der Straßburger OB Roland Ries hat wissen lassen, dass er weiterhin für die Reform und eine Region Elsass-Lothringen ist, wobei es ihn auch nicht stören würde, wenn am Ende doch eine Region Elsass ohne alles herauskäme. Damit zählt Ries im Moment zu den wenigen elsässischen Politikern, die das Thema mit der gebotenen Ruhe und Überlegung angehen.

Vor der zweiten Lesung des Gesetzentwurfs über die Gebietsreform, die nun in der Assemblée Nationale ansteht, sollten noch etwas mehr Informationen bekannt und sachliche Diskussionen geführt werden. Und diejenigen, die gute Argumente für eine eigenständige „Mini-Region Elsass“ im Konzert der neuen Riesenregionen Frankreichs vorbringen wollen, sollten diese ebenfalls möglichst sachlich kommunizieren, statt gemeinsam mit elsässischen Autonomisten auf die Straße zu gehen. Denn diejenigen, die heute bei der Marseillaise aus Protest pfeifen, sind auch diejenigen, die morgen die Regierung in Paris quasi dazu zwingen, dem Streben nach einer elsässischen Lösung nicht nachzugeben. Alleine schon, damit das Elsass nicht zu einem zweiten Korsika wird.

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