Großes Russland – kleines Europa

Der Besuch von Olaf Scholz in Moskau war zwar etwas weniger peinlich als der von Emmanuel Macron, aber es bleibt die bittere Feststellung, dass Europa in der internationalen Politik nur wenig zählt.

"Der nächste bitte..." - Putin lässt die Europäer, einen nach dem anderen, an seinem Tisch auflaufen. Foto: Kremlin.ru / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Dieser Tisch wird noch in die Geschichtsbücher eingehen. Während der russische Präsident Wladimir Putin fast gelangweilt an seinem Ende sitzt, sitzen auf der anderen Seite immer häufiger die Europäer. Ändern wird das kaum etwas, aber Putin nutzt zumindest die Gelegenheit, den „europäischen Spitzenkräften“ seine Botschaften für die NATO und die USA mit auf den Weg zu geben.

Und die Botschaften von Putin sind nicht nur sehr klar, sondern auch eine klare Absage an die Europäer und deren Ambition, auf internationalem Parkett ein wenig Gewicht darzustellen. Dass die NATO ihre Zusagen nicht eingehalten habe, keine Osterweiterung des transatlantischen Bündnisses durchzuführen, unterstrich Putin und hat damit Recht. Und Putin hält auch nicht viel vom „Normandie-Format“, bei dem Russland, die Ukraine, Frankreich und Deutschland an einem Tisch saßen. Aber Frankreich und Deutschland sind nicht die Ansprechpartner für Putin, für den der einzig akzeptable Gesprächspartner die USA und China sind.

Anders als der französische Präsident, der sich am Tag nach seinem Besuch in Moskau in Kiew aufhielt und sich dort damit brüstete, er habe eine „Deeskalation“ eingeleitet (was Moskau postwendend dementierte), nutzte Scholz diese Gelegenheit nicht etwa zu eitler Selbstdarstellung, sondern zu ernsthaften Gesprächen, die aber letztlich auch nur das Vorspiel für ernsthafte Verhandlungen zwischen den Supermächten sein können, zu denen die Europäer definitiv nicht zählen.

Es wird in Zentral-, Ost- und Westeuropa keinen dauerhaften Frieden geben, ohne dass sich Russland und die USA darauf verständigen. Idealerweise sollten bei entsprechenden Verhandlungen auch die Europäer mit am Tisch sitzen, doch so lange die Europäische Union keine gemeinsame Linie in der Außenpolitik hat, sollte sie dort etwas leiser auftreten. Die Interessen aller Beteiligten sind weitaus kompatibler, als es auf den ersten Blick aussieht. Die wirtschaftlichen Verflechtungen sind so stark, dass sich im Grunde niemand einen größeren Konflikt in der Region leisten kann, während gleichzeitig die Sicherheitsinteressen beider Seiten ebenfalls nicht unbedingt widersprüchlich sind. Die Lösung am Ende der Gespräche zeichnet sich bereits heute ab: Es muss eine Pufferzone zwischen Russland und der NATO geben, und eine solche Pufferzone kann nur in der Ukraine sein. Es wäre denkbar, eine solche Pufferzone von UN-Blauhelmen kontrollieren und sichern zu lassen und eine solche Lösung könnte einerseits die Ukraine absichern, andererseits aber auch Putin ermöglichen, diese Eskalation ohne Gesichtsverlust hinter sich zu bringen.

Noch ist Gelegenheit, eine weitere Eskalation zu vermeiden. Doch erfordert dies, dass sich alle Beteiligten dazu durchringen, die gegenseitigen, sterilen Drohungen einzustellen und anzuerkennen, dass es berechtigte und sinnvolle Forderungen auf beiden Seiten gibt, die es zu respektieren gilt. Damit Europa dabei mitdiskutieren kann, wäre es durchaus zielführend, würde man die unsägliche Regeln der Einstimmigkeit in der EU kippen, um endlich geschlossen gegenüber dem Rest der Welt auftreten zu können. Aber davon sind wir wohl noch weit entfernt…

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