Italien – Straffreiheit für Amtsmißbrauch und Vorteilsnahme?

Italiens Justizminister Carlo Nordio startet seinen nächsten Versuch, die Strafbestände „Amtsmißbrauch“ und „Vorteilsnahme“ abzuschaffen. Für wen er das wohl versucht?...

Selbst die italienische Verfassung verbietet Vorhaben wie das von Justizminister Carlo Nordio. Foto: Eurojournalist(e) / CC-BY 2.0

(KL) – Die Unverfrorenheit, mit der die italienische Regierung versucht, Straffreiheit für die korrupten Schreibtischtäter des Landes durchzuboxen, ist unglaublich. Denn die „Justizreform“, die Minister Carlo Nordio anstrebt, nutzt natürlich nicht dem einfachen Bürger, sondern denjenigen, die in Positionen sitzen, in denen sie sich des Amtsmißbrauchs und der Vorteilsnahme schuldig machen können – sprich, den Mitgliedern von „il sistema“, also Politikern, Richtern und Staatsanwälten und Wirtschaftskapitänen. Am erstaunlichsten ist dabei, dass man sich nicht einmal mehr Mühe gibt, die Zielsetzung dieser „Reform“ zu bemänteln. Offensichtlich gerät „il sistema“ immer mehr unter Druck und muss nun alles daran setzen, sich zu schützen.

Beim ersten Versuch von Carlo Nordio, diese „Reform“ einfach so durchzuwinken, erhielt er mächtig Gegenwind. Eine Petition von Richtern und Staatsanwälten wurde von hunderten Kollegen unterschrieben, Verfassungsrechtler warnten eindringlich vor dieser Änderung und selbst die Anti-Mafia-Kommission sprach sich deutlich gegen das Vorhaben des Justizministers aus, das einzig und allein beabsichtigt, den größten Verbrechern Italiens Straffreiheit zuzusichern. Auch, wenn Italiens Regierung damit eindeutig gegen Europäisches Recht verstößt.

Machtmißbrauch“ ist ein Strafbestand, der nach Europäischem Recht in allen nationalen Gesetzgebungen der EU-Mitgliedstaaten vorhanden sein muss. Insofern ist das Vorhaben, diesen Strafbestand abzuschaffen, nicht mit Europäischem Recht vereinbar und die Vorstellung, man könne, ausgerechnet in Italien, Schreibtischtätern Straffreiheit und damit einen Blankoscheck ausstellen, ist abenteuerlich.

Liegt es daran, dass seit einiger Zeit viele der Skandale, die lange verheimlicht werden konnten, öffentlich wurden? Ob nun der Palamara/Amaro-Skandal, ob die Skandale um europäische Gelder, die in die Taschen des organisierten Verbrechens fließen, wie die PAC-Subventionen oder auch im Bau von Gas-Pipelines, ob der Prozess gegen den Mancuso-Clan der Cosa Nostra in Kalabrien – es wird immer schwerer, die Verbrechen von „il sistema“ vor der Öffentlichkeit zu verbergen. Doch statt die Machenschaften von „il sistema“ zu bekämpfen, will die Regierung diese legalisieren.

Laut der Tageszeitung „La Rebubblica“ ist der Verbleib von Carlo Nordio an der Spitze des Justizministeriums mit dem Durchboxen dieser „Reform“ verknüpft. Klar ist, dass Nordio nicht etwa eigenmächtig, sondern auf Befehl seiner Regierungschefin Georgia Meloni handelt. Insofern könnte Nordio zu einem „Bauernopfer“ werden, denn sein Vorhaben müsste nach menschlichem Ermessen in Brüssel gestoppt werden. Denn das europäische Rechtssytem sieht nicht vor, Verbrecher und ihre Verbrechen deshalb zu legalisieren, weil sie teure Anzüge von Armani tragen.

Dennoch liest man in diesem Vorhaben eine gewisse Verzweiflung von „il sistema“, denn dieser Versuch, die Verbrechen der „oberen 10.000“ zu legalisieren und dies nicht einmal mehr heimlich zu tun, deutet auf maximale Nervosität in den Chefetagen der Macht in Italien hin.

Ob der lange Arm von „il sistema“ ausreicht, um auch die Entscheidungen in Brüssel in seinem Sinn zu beeinflußen, wird man sehen. So oder so, Italien ist auf dem Holzweg und es wird höchste Zeit, dass „il sistema“ und seinen Akteuren die Flügel gestutzt werden, damit dieses wunderbare Land wieder frei atmen und sich entwickeln kann.

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