Ablenkungsmanöver auf hohem Niveau

Es ist momentan nicht leicht für den französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Doch wird er seine innenpolitischen Probleme nicht auf der Ebene der Diplomatie regeln können.

Italien? Check. Türkei? Check. Mal schauen, mit wem sich Macron als nächstes anlegt... Foto: Kremlin.ru / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Wenn Politiker zu große innenpolitische Probleme haben, versuchen sie gerne, von diesen durch außenpolitische Manöver abzulenken. Das war schon immer so und das wird auch immer so bleiben. Doch das, was die französische Diplomatie gerade abliefert, zeigt einmal mehr, dass es Emmanuel Macron vor allem an einem fehlt: vernünftigen Beratern.

Leider ist die Interessenlage zwischen Emmanuel Macron und seinem italienischen Gegenspieler Matteo Salvini ziemlich deckungsgleich. Beide haben enorme innenpolitische Probleme, in Italien macht sich inzwischen die Unzufriedenheit der Menschen ebenso auf der Straße Luft wie in Frankreich. Da kommen die künstlich inszenierten Spannungen zwischen beiden Ländern gerade zum richtigen Zeitpunkt.

Französisch-italienische Spannungen. – Losgetreten hatte diese Spannungen vor Monaten Emmanuel Macron, als er das italienische Volk beleidigte, als Italien seine Mittelmeerhäfen für NGO-Rettungsschiffe sperrte. Seine Aussage, „die Italiener seien kein humanistisches Volk“ war ein Schlag ins Kontor, zumal Macron gleichzeitig still und heimlich alle französischen Mittelmeerhäfen ebenfalls für die Flüchtlingsschiffe geschlossen hatte. Seitdem reißen die gegenseitigen Provokationen nicht mehr ab.

Höhepunkt war letzte Woche der „heimliche“ Besuch des M5S-Chefs und stellvertretenden Regierungschefs Luigi Di Maio bei den französischen Gelbwesten, deren seltsame Delegation vom Bürgerkriegsbefürworter Christophe Chalençon geleitet wurde, der dafür weder ein Mandat, noch die Unterstützung der „Gelbwesten“ hatte. Bei diesem Treffen schwadronierte Di Maio vom „gemeinsamen Kampf“ und bot den „Gelbwesten“ seine Unterstützung an. Man stelle sich vor, der französische Premierminister würde in Italien bei Streikenden aufschlagen, diesen erklären, sie hätten eine lausiger Regierung und ihnen anbieten, sie aktiv zu unterstützen… das nennt man wohl eine „Einmischung in innere Angelegenheiten“. Die Reaktion aus Paris lies nicht lange auf sich warten – Paris beorderte seinen Botschafter zurück in die Heimat, für „Konsulationen“. In der Diplomatie ist das eine richtig heftige Geschichte.

Das Ärgerliche dabei ist, dass es beide Länder gerade schaffen, die jeweiligen Bevölkerungen gegeneinander aufzuhetzen. Die Stimmung in Italien ist offen Frankreich-feindlich, die in Frankreich offen Italien-feindlich. Die Schäden, die Macron, Salvini und Di Maio gerade anrichten, werden erst in Jahren wieder zur Ruhe kommen – bis dahin werden gegenseitiges Misstrauen und Geringschätzung an der Tagesordnung sein.

Französisch-türkische Spannungen. – Gleichzeitig startete Macron auch noch eine massive Aktion gegen die Türkei, wissend, dass auch Recep Tayyip Erdogan reagieren würde. So richtete Macron rasch einen neuen Gedenktag zum Andenken an den türkischen Völkermord an den Armeniern ein, eine offene Provokation der Türkei, die es so eilig nun auch wieder nicht gehabt hätte. Gewiss, die armenische Diaspora in Frankreich ist nicht unbedeutend, doch ist das Timing für diese Aktion mehr als unglücklich gewählt. Als ob Frankreich momentan nicht genug andere Probleme zu lösen hätte. Auch die Reaktion aus Ankara kam prompt: Regierungssprecher Ibrahim Kalin ließ verlauten, dass die türkische Regierung „die Erklärung Macrons zum angeblichen Völkermord an den Armeniern scharf verurteilt“.

Es geht jetzt gar nicht um die Frage, ob Macron Recht hat – der türkische Völkermord an den Armeniern wird inzwischen auf der ganzen Welt, außer in der Türkei, als Völkermord eingestuft – doch muss man sich die Frage stellen, ob der Zeitpunkt für Macrons Initiative wirklich so günstig gewählt war.

Frankreichs internationales Bild ist seit Beginn der „Gelbwesten“-Unruhen stark angeschlagen. Frankreich und Italien hetzen gerade ohne Not ihre Bevölkerungen gegeneinander auf. Die Beziehungen zwischen Frankreich und der Türkei sind ab sofort wieder sehr angespannt. Wohin will Macron sein Land eigentlich führen?

Es würde sehr viel Sinn machen, würde sich die französische Regierung jetzt auf die Lösung des inneren Konflikt konzentrieren, statt zu versuchen, die Bevölkerung durch Ausfälle gegen Drittstaaten ablenken zu wollen. Und wieder einmal stehen wir vor dem vielleicht entscheidenden Problem – offensichtlich hat Emmanuel Macron nur Berater um sich herum, die ihn entweder nicht, oder aber schlecht beraten. Es ist Zeit, einmal eine Pause einzulegen und nachzudenken, bevor weitere Fehler gemacht werden, die den europäischen Zusammenhalt weiter nachhaltig beschädigen.

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.

*



Copyright © Eurojournaliste