Und was passiert dann?

Nach der gestrigen 12. Großdemonstration überall in Frankreich gegen die Rentenreform und den wie immer abwesenden Präsidenten, fällt heute die höchstinstanzliche Entscheidung zu dieser Reform.

Die Unruhen in Frankreich könnten heute in eine noch gefährlichere Dimension kommen. Foto: Eurojournalist(e) / CC-BY 2.0

(KL) – Heute Abend entscheidet sich, wie es in den kommenden Wochen und Monaten in Frankreich weitergeht, denn heute endet der institutionelle Weg des Gesetzes zur von einer überwältigenden Mehrheit der Franzosen abgelehnten Rentenreform. Entweder wird das Gesetz heute vom Verfassungsrat durchgewunken, oder er lehnt es ganz oder teilweise ab, oder aber er entscheidet, dass die Franzosen per Volksabstimmung das letzte Wort haben. Doch das Ende des institutionellen Wegs, gegen dann kein Widerspruch mehr eingelegt werden kann, bedeutet noch lange nicht, dass sich die Gewerkschaften und die Franzosen damit abfinden werden, dass sie auf legal korrekte und demokratisch und politisch verwerfliche Art und Weise von ihrem Präsidenten und dessen Regierung über den Tisch gezogen wurden.

Seit drei Monaten erlebt Frankreich die größten Sozialproteste seit den II. Weltkrieg, mit Streiks und Demonstrationen in einer Größenordnung, in der beispielsweise in Deutschland noch nie Demonstrationen stattgefunden haben. Seit drei Monaten fordern die Gewerkschaften einen sozialen Dialog mit der Regierung, der seit drei Monaten arrogant abgelehnt wird. Seit drei Monaten verweigert der Präsident der Bevölkerung jeden Dialog, hat das Parlament ausgeschaltet und dem Senat die Flügel gestutzt. Seit drei Monaten lässt der Präsident keine Gelegenheit aus, um den Franzosen zu zeigen, dass diese ihm vollständig egal sind und er „sein Ding durchzieht“, ob das den Franzosen nun passt oder nicht. Seit drei Monaten demonstrieren Millionen Franzosen friedlich in den Städten Frankreichs, doch wird über die Staatssender nur über ein paar Hundert „Black Blocks“ berichtet, die Mülltonnen anzünden und Bushaltestellen zerstören. Seit drei Monaten wird den Franzosen erzählt, die Demonstranten seien Schuld am Chaos im Land, während die Regierung, die ihren gesetzgeberischen Parforce-Ritt als „demokratischen Prozess“ zu verkaufen versucht, das eigentliche Opfer dieser Unruhen sei.

Während Frankreich gestern wieder einmal brannte, amüsierte sich Macron mit der First Lady beim royalen Besuch in den Niederlanden, posierte wie ein König unter seinesgleichen und erzählt den Niederländern, wie gut er mit seinen Landsleuten kommuniziere und wie wichtig doch der soziale Dialog sei, zwei Aussagen, die man wohl getrost unter „Fake News“ laufen lassen kann. Dass ihm auch in Den Haag und Amsterdam massiver Protest entgegenschlug, schien Macron wenig zu stören. Dass er durch die erneute Abwesenheit an einem solchen Tag auch gleich die gesamte französische Bevölkerung beleidigte, störte ihn wohl noch weniger. Vermutlich war das sogar gewollt.

Sehr viel hängt heute von der Entscheidung des Verfassungsrats ab. Sollte diese Entscheidung in Macrons Sinne fallen oder aus einem lauwarmen Kompromiss bestehen, wird Frankreich in nächster Zeit massive Unruhen erleben, bei denen sich zwar weniger Menschen beteiligen werden, die aber dafür wesentlich radikaler ablaufen werden.

Die demokratische und politische Krise, in die Macron Frankreich gesteuert hat, kann noch deutlich weiter eskalieren. Bedenklich ist dabei, dass das französische Führungspersonal nicht das Format hat, mit dieser und anderen Krisen umzugehen. Und so kann man heute nur hoffen, dass der Verfassungsrat das Richtige tut, um zu verhindern, dass Frankreich im Chaos versinkt. Doch im neufeudalen Frankreich muss man damit rechnen, dass die Entscheidung des Verfassungsrats heute eher der Ausgangspunkt für eine weitere Eskalation sein wird.

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