Kann, soll, muss man sich an so etwas gewöhnen?

Gestern Nachmittag wurde in Windeseile der Platz der Kathedrale in Straßburg geräumt und abgesperrt. Der Grund war einmal mehr eine Bombendrohung.

Zwischenfälle wie dieser schaden dem Tourismus in der Europahauptstadt enorm. Foto: Eurojournalist(e) / CC-BY 2.0

(KL) – In den letzten Tagen häufen sich die Bombendrohungen in bislang nicht gekanntem Ausmaß in Frankreich. Der Polizei und den spezialisierten Diensten wie Kampfmittelräumdiensten oder Zivilschutz bleibt nichts anderes übrig, als sofort zu reagieren, auch, wenn in 99,9 % der Fälle Idioten dahinter stecken, die sich einen „Spaß“ machen wollen. Für das Image der Städte, in denen es zu solchen Zwischenfällen kommt, sind diese Aktionen Gift.

Bemerkenswert war gestern Nachmittag allerdings die Schnelligkeit und die Besonnenheit der Einsatzkräfte. Die Räumung des Platzes erfolgte in wenigen Minuten, angrenzende Cafés wurden ebenso schnell durchsucht, die Durchsuchung der Kathedrale durch trainierte Kräfte erfolgte auch sehr schnell, die Ansprache der Polizisten, die den Platz absicherten war ruhig, professionell und sichtlich darauf ausgerichtet, Panik in der Bevölkerung und bei den Touristen zu vermeiden. Und das klappte sehr gut.

Doch ändert das nichts an der Tatsache, dass die Häufung dieser Drohungen ein Ausmaß annimmt, das erfordert, dass man sich Gedanken macht, wie man damit umgeht. Es wird Zeit, dass solche „Streiche“ schärfer geahndet werden, dass solche anonymen Anrufer konsequent nachverfolgt und vor allem bestraft werden, denn das sind eben keine „Streiche“, sondern massive Eingriffe in den Frieden der Stadt. Da die Behörden gezwungen sind, auf solche Drohungen zu reagieren, sollten ermittelte Täter nicht nur mit Gefängnis bestraft werden (solche Strafen könnten bei Ersttätern ja zur Bewährung ausgesetzt werden) und die Kosten für den Einsatz aufgebrummt bekommen. Und so ein Einsatz ist teuer, denn er mobilisiert eine große Zahl an Ordnungskräften, Zivilschutz, Krankenwagen, die sich bereit halten müssen und viele mehr.

Erst am Vortag mussten in ganz Frankreich aufgrund solcher Drohungen zeitweise Schulen geschlossen werden und all das trägt zu einem Gefühl der Unsicherheit bei, das sich immer weiter ausbreitet. Eine Schulklasse auf Klassenfahrt, die gestern vor einer der Absperrungen an dem geräumten Platz stand und den Besuch der wunderbaren Kathedrale geplant hatte, diskutierte, ob man den Besuch in der Europahauptstadt nicht besser abbrechen sollte und Touristen werden sich zweimal fragen, ob sie lieber nach Straßburg oder in eine vermeintlich sichere Stadt fahren, auch, wenn es solche „sicheren“ Städte überhaupt nicht mehr gibt, wenn man sich anschaut, wo in Frankreich in den letzten Jahren Attentate stattgefunden haben.

Das Ganze ist natürlich auch ein unguter Vorgeschmack auf die Olympischen Spiele im Sommer, bei denen bereits jetzt klar ist, dass es unmöglich ist, eine solche Veranstaltung trotz aller Vorbereitungen wirklich abzusichern.

Dass die Behörden sehr professionell reagieren, ist einerseits beruhigend, dass solche Einsätze inzwischen an der Tagesordnung sind, eher nicht. Denn nicht die 99,9 % der Trittbrettfahrer und Vollidioten sind die eigentliche Gefahr, sondern die 0,1 %, die tatsächlich zur Tat schreiten.

Dazu spielen solche Zwischenfälle den Rechtsextremen in die Karten, deren Ruf nach „Law and Order“ natürlich gehört wird, auch wenn diese politischen Kräfte ebenfalls keine Ahnung haben, wie man solche Phänomene in den Griff bekommen kann.

Was die „Trittbrettfahrer“ nicht ins Kalkül ziehen, ist dass sie massiv zur Verunsicherung der Bevölkerung beitragen, dass die Menschen heute ein mulmiges Gefühl haben, wenn sie in ein Konzert oder auf ein Fest oder in eine Menschenmenge gehen und dass dieses mulmige Gefühl kein isoliertes Vorkommnis ist, sondern sich weiter ausbreiten und zur Phobie mutieren kann. In den unruhigen, kriegerischen und anxiogenen Zeiten ist das eine ernstzunehmende Gefahr, der man jetzt schnell begegnen muss, bevor sich dieses Gefühl der Unsicherheit weiter ausbreitet und noch mehr Schaden anrichten kann.

So unschön es ist, Gesetzesverschärfungen zu fordern – in diesem Fall wird es kaum anders gehen. Die entsprechenden Gesetze stammen aus einer Zeit, in der es solche Vorkommnisse nur extrem selten gab und als niemand ahnen konnte, dass sich solche anonymen Drohungen zu einer Art „Volkssport“ entwickeln. Die albtraumhafte Szenerie gestern Nachmittag in Straßburg dauerte nur etwa eine Stunde, doch die Nachwirkungen werden länger als eine Stunde anhalten. Und das ist für eine zum Teil vom Tourismus lebende Stadt etwas, was nachhaltigen Schaden anrichten kann. Hier sollten tatsächlich die entsprechenden Strafen verschärft werden, damit „Spaßvögel“ wissen, dass so ein „Streich“ richtig teuer werden kann.

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