Kapitalismus ist toll…

… zumindest für die Reichen. Und ganz besonders in Frankreich, wo es immer besser wird, richtig reich zu sein. Das zumindest berichtet die NGO „Oxfam“.

Frankreichs Reiche hatten zu Jahresbeginn alle den gleichen chinesischen Glückskeks... Foto: U.S. Marine Corps / photo by LCpl. Alex Kouns MCRD Parris Island / Combat Camera Released / Wikimedia Commons / PD

(KL) – Der am 14. Mai erschienene Bericht der NGO Oxfam macht es deutlich – nirgends macht es mehr Spaß richtig reich zu sein als in Frankreich. Denn seit Präsident Macron an der Macht ist, ist Reichsein wieder richtig in und da die französische Politik in erster Linie darauf ausgerichtet ist, diesen Reichen das Leben möglichst angenehm zu gestalten, klappt das auch. Immerhin ist dies das Credo von Emmanuel Macron: „Sorge dafür, dass es den Reichen als Anführer der Seilschaft gut geht, dann werden sie die anderen schon mitziehen.“ Dass er mit diesem frommen Wunsch nicht unbedingt richtig liegt, müsste Macron eigentlich aus seiner erfolglosen Zeit als Wirtschaftsminister wissen. Damals hatte er den Unternehmen 50 Milliarden Euro als „Konjunkturprogramm“ geschenkt, dabei aber leider vergessen, von den Unternehmen eine Garantie für die Schaffung von Arbeitsplätzen zu verlangen. Somit versickerten die 50 Milliarden in den Taschen der Aktionäre, ohne eine Wirkung auf dem Arbeitsmarkt zu entfalten. Irgendwie blöd, aber offenbar nicht blöd genug, um es gleich noch einmal zu probieren…

Der Bericht der NGO Oxfam zeigt anhand nüchterner Zahlen auf, wie es um den Kapitalismus als Gesellschaftsform bestellt ist – dieser ist schlicht nicht mehr tragbar und verwandelt sich gerade in ein gesellschaftliches Pulverfass.

Der Bericht, der den Zeitraum 2009 bis 2016 untersucht, zeigt auf, dass in diesem Zeitraum 67,4 % der Gewinne der CAC40-Unternehmen (der CAC40 ist das Gegenstück zum deutschen DAX) in den Taschen der Aktionäre verschwinden, was weltweit ein Rekord ist. In keinem anderen Land profitieren die Aktionäre derart von der Wertschöpfung der Unternehmen, doch das war nicht immer so. In den Jahren zuvor lag der Anteil der Unternehmensgewinne, die den Aktionären zuflossen, bei rund einem Drittel, was bedeutet, dass sich dieser Anteil in den letzten Jahren verdoppelt hat.

Wie ungut diese Zahl ist erkennt man daran, dass lediglich 5,3 % der Unternehmensgewinne denjenigen zugutekommen, die sie erwirtschaften – den Arbeitnehmern. So sagt der Bericht, dass wenn die CAC40-Unternehmen das Level der Dividenden auf dem Stand von 2009 gehalten hätten, alle Mitarbeiter dieser Unternehmen mehr als 2000 € mehr pro Jahr hätten verdienen können. Doch offenbar ist den Aktionären und den Unternehmen der Schluck aus der Pulle wichtiger als der soziale Frieden, die Nachhaltigkeit der Unternehmen und die Schaffung von Arbeitsplätzen.

Der Gier der Aktionäre fälle langsam, aber sicher, das gesamte Wirtschaftssystem zum Opfer. Denn um immer mehr Dividenden ausschütten zu können, gehen die Unternehmen dazu über, die Investitionen herunter zu fahren und das wiederum ist mittel- und langfristig Gift für die Konjunktur. Ein Beispiel: Im Jahr 2011 sanken die Gewinne der CAC40-Unternehmen um 10 %, gleichzeitig stiegen aber die Dividenden um 5,9 Milliarden Euro (+15 %) und um diese Dividenden zu finanzieren, kürzten die Unternehmen ihre Investitionen um schlanke 38 %. Doch diese Kürzung der Investitionen gefährdet sowohl die Nachhaltigkeit des eigenen Unternehmens als auch die Konjunktur allgemein. Anders gesagt: Um sich kurzfristig die Taschen zu füllen, gefährden die Aktionäre die Nachhaltigkeit der französischen Wirtschaft.

Die Gier geht sogar so weit, dass mehrere Unternehmen (z. B. Arcelor, Engie und Veolia) mehr Dividenden ausschütten, als sie Gewinne gemacht haben. Das Erstaunlichste daran ist, dass der französische Staat zu den Aktionären dieser Unternehmen gehört… und langsam versteht man auch die sozialen Spannung in Frankreich, wenn man bedenkt, dass Präsident Macron als eine seiner ersten Maßnahmen die Steuer auf große Vermögen abgeschafft hat, damit die Superreichen nicht auf die Idee kommen, sich in diejenigen Steuerparadiese abzusetzen, in denen viele der CAC40-Unternehmen ohnehin ihre Steuerspar-Filialen haben. Und das sind eine ganze Menge – alleine die CAC40-Unternehmen unterhalten nicht weniger als 1454 Filialen in den Steuerparadiesen dieser Welt. Klar, wäre das anders, würden die Aktionâre ja auch weniger Dividenden kassieren.

Diese Art des „Wild West-Kapitalismus“ hat ausgedient. In der heutigen Welt ist es nicht mehr hinnehmbar, dass weniger als 1% der Weltbevölkerung weit mehr als die Hälfte des Reichtums dieser Welt besitzt. Diese Art des Dividenden-Kapitalismus treibt die Welt an den Abgrund, ist der Hintergrund für jede Umweltsünde, befeuert die sozialen Konflikte.

Es ist an der Zeit, unsere wirtschaftlichen und politischen Systeme an die Realitäten des 21. Jahrhunderts anzupassen. Momentan sind beide eng miteinander verzahnt und die aktuelle Politik zielt in Frankreich vor allem darauf ab, es den Aktionären so angenehm wie möglich zu machen. Doch die Zukunft dieses Systems ist vorgezeichnet – entweder schaffen es die Regierungen, diese Systeme „von oben“ zu reformieren, oder die Menschen werden diese eines Tages gewaltsam auf der Straße abschaffen. Die Geschichte zeigt, dass kein einziges System die Zeiten überdauert, insofern haben die Aktionäre und ihre Freunde in der Politik jetzt die Wahl: Entweder sie erkennen die Zeichen der Zeit oder sie nehmen das Risiko in Kauf, eines Tages gegen ihren Willen vor die Tür gesetzt zu werden. Der Countdown bis zum Ende des Kapitalismus läuft…

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