Mit „das wird schon irgendwie gehen“ wird es nicht gehen…

Der Herbst eilt mit Riesenschritten auf uns zu und er wird heftig werden. Überall in Europa. Mit Slogans wird Europa die nächsten Monate wohl nicht überstehen.

Daumen drücken dürfte bei den aktuellen Krisen kaum als Strategie ausreichen... Foto: Grey Geezer / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Die „Sofa-Helden“ der Republik bereiten sich auf Herbst und Winter 2022 vor. Dabei sind sie mit der Fernbedienung in der Hand auch sehr mutig. „Das wird schon werden“, wissen sie, „wir haben schon Schlimmeres überstanden“. Ach ja? Was denn? Aber immerhin, die „Sofa-Helden“ wissen auch, dass man Putin und seiner Armee unbedingt die Stirn bieten muss, wenn es sein muss, bis zum letzten Blutstropfen, zumal es ja nicht das eigene Blut ist, das dort weit im Osten vergossen wird.

In Saporischschja, dort, wo rund um das größte AKW Europas gekämpft wird und die Welt den Atem in der Hoffnung anhält, dass nicht eine der beiden Kriegsparteien einen nicht mehr reparablen Fehler begeht, übt man die Evakuierung der Zone. In Italien springt die Inflationsrate über 10 %, in anderen Ländern ist sie noch deutlich höher. Ab dem Herbst können die Energieversorger den Verbrauchern Preise diktieren, die man nicht für möglich gehalten hätte und die Millionen Haushalte alleine in Deutschland an den Rand einer Existenzkrise bringen werden. Diese Situation wird zwangsläufig zu sozialen Spannungen führen, die so heftig ausfallen werden, dass „Gelbwesten“ und „Querdenker“ wie müde Chorknaben dagegen wirkten. Dazu darf man ebenfalls nicht vergessen, dass die Pandemie munter weiterläuft, auch, wenn wir das im Sommer mehr oder weniger erfolgreich verdrängt haben. Doch im Herbst werden uns die neuen Varianten daran erinnern, dass auch dieses Problem nicht gelöst wurde. Wir haben schon Schlimmeres überstanden? Ja, was denn? Und wie sollen diese multiplen Krisen gemanagt werden?

Was für Krisen hat Deutschland denn seit dem II. Weltkrieg zu meistern gehabt? Den Deutschen Herbst mit dem Terrorismus der RAF? Die Ölkrise 1973, die nach wenigen Wochen überstanden war? Anschläge auf Oktoberfest, den Weihnachtsmarkt in Berlin und anderswo? Wenn man ehrlich ist, haben „wir“ keine Konsequenzen tragen müssen, was im Kriegswinter 2022/23 ganz anders sein wird.

Nein, das wird nicht schon „irgendwie gehen“. Die aktuellen Krisen sind von einer solchen Tragweite, dass Europa Strategien braucht, die nicht an den Landesgrenzen enden dürfen, denn kein europäisches Land wird in der Lage sein, diese Krisen alleine und abgeschottet von den anderen zu lösen. Doch da, wo gerade mehr europäische Solidarität als je zuvor angesagt wäre, weigern sich die 27 Regierungen der Mitgliedsstaaten die EU als Lösungsweg zu betrachten. Offenbar denkt man in den Machtzentralen Europas, dass europäische Lösungen so etwas wie das Eingeständnis von Schwäche wären. Also stricken alle weiter an vermeintlichen Lösungen, die weder eine weltweite Pandemie bezwingen, noch den III. Weltkrieg beenden können.

Angesichts der Entwicklung steht die EU am Scheideweg. Entweder ringt sie sich dazu durch, die seit Jahren überfälligen Reformen anzugehen, oder sie wird aus der selbstverordneten politischen Bedeutungslosigkeit nicht mehr herauskommen.

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