Mörderische Staaten

In den USA wurde gestern zum ersten Mal ein Mensch durch Stickstoff hingerichtet. Alabama wird damit zum Vorreiter für eine weitere staatliche Barbarei.

Ein Staat, der tötet, kann kein Rechtsstaat sein. Foto: Ken Piorkoswki / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 2.0

(KL) – Am 9. Oktober 1981 schaffte Frankreich die Todesstrafe ab und verschiedete sich damit aus dem Kreis der barbarischen Staaten, die bestimmte ihrer Straftäter töten. Doch heute sind nach Umfragen des Instituts Ipsos wieder 55 % der Franzosen (25 % in Deutschland) für die Wiedereinführung der Todesstrafe. Doch will man wirklich wieder in den Kreis derjenigen „Schurkenstaaten“ zurückkehren, die weiterhin die barbarischste aller Strafen anwenden?

Der Fall des Mörders Kenneth Smith hat viele Reaktionen hervorgerufen, nachdem der Staat Alabama entschieden hatte, Smith durch Stickstoff zu vergasen, eine bislang nicht getestete Hinrichtungsart, von der viele Experten glauben, dass sie unglaubliche Leiden auslösen kann. „Recht geschieht’s ihm“, denken jetzt sicherlich viele, vor allem die 55 % der Franzosen und 25 % der Deutschen, die für die Todesstrafe sind.

Wer für die Todesstrafe ist, reiht sich damit in die Reihe der Unterstützer von Ländern wie China, Syrien, Saudi-Arabien, den Jemen, den USA und leider vielen anderen ein, die nach wie vor die Todesstrafe durch Erhängen, Köpfen, Vergiften oder Erschießen praktizieren. Doch wer für die Todesstrafe ist, sollte sich an das Beispiel des Gouverneurs von Illinois Pat Quinn erinnern.

Pat Quinn, eingefleischter Konservativer, war in all den Jahren seines Amts ein überzeugter Anhänger der Todesstrafe und lehnte Gnadengesuche systematisch ab. Doch ein Jahr, bevor er in den Ruhestand ging, ließ er eine Untersuchung der in seiner Amtszeit durchgeführten Hinrichtungen durchführen. Dabei stellte sich heraus, dass 20 der in seiner Amtszeit durchgeführten Hinrichtungen falsch waren, dass Menschen für nicht begangene Taten hingerichtet wurden, dass die Polizei „Beweise“ erfunden und entlastendes Material unterschlagen hatte, dass geistig behinderte Menschen zu „Geständnissen“ gezwungen wurden. Als letzte Amtshandlung schaffte Pat Quinn in Illinois die Todesstrafe ab und wandelte die Todesurteile von 15 in Todeszellen sitzenden Verurteilten in lebenslange Haftstrafen um.

Ja, aber wenn der Fall eindeutig ist…“, entgegenen viele Befürworter der Todesstrafe, doch dort, wo der Mensch urteilt, ist der Fehler vorprogrammiert. Dazu kennt kaum ein funktionierendes Rechtssystem die Notion der „Rache“, weswegen die Todesstrafe ein archaisches Mittel von Gesellschaften ist, denen Begriffe wie „Menschlichkeit“ völlig abgehen.

Ob Kenneth Smith bei seiner Hinrichtung durch Stickstoff besonderes Leid erfahren hat? Wir wissen es nicht. Allerdings weiß man, dass es bereits einen Versuch gab, den Mann hinzurichten, doch wurde die Verabreichung der Giftspritze abgebrochen, da alle Versuche, dem Mann eine Kanüle zu legen, gescheitert waren. Daraufhin verbrachte er weitere Jahre in der Todeszelle, eine Behandlung, die von vielen Experten als „Folter“ bezeichnet wurde.

Dass Schwerverbrecher für ihre Taten für den Rest ihres Lebens weggesperrt werden, ist vernünftig, da somit die Gesellschaft vor Wiederholungstaten geschützt wird. Doch der Staat muss nicht selbst zum Mörder (mit hoher Fehlerrate wie in Illinois) werden, um Gerechtigkeit walten zu lassen.

Die Todesstrafe wird überwiegend in Ländern praktiziert, die entweder mittelalterliche Codes anwenden, oder sich autoritär gegenüber ihrer Bevölkerung verhalten wollen, um diese im Griff zu haben. Beides trifft eigentlich nicht auf westliche Demokratien zu, weswegen es unerträglich ist, dass die USA sich weiterhin auf eine Stufe mit Saudi-Arabien, den Iran oder Malaysia stellen, die ständig die Todesstrafe anwenden.

Gouverneur Pat Quinn kann man nur Beifall klatschen, dass er es 2011 kurz vor Ende seines Mandats geschafft hat, seine Jahrzehnte langen Überzeugungen zu hinterfragen und dann, auf der Grundlage von Fakten, seine Meinung zu ändern. Der französische Justizminister Robert Badinter hatte 1981 völlig Recht, als er die Guillotine einmottete. Denn die Todesstrafe ist nur etwas für barbarische Staaten, die keinen Deut besser sind als die Verbrecher, die sie hinrichten.

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