Mut zu Verhandlungen

Papst Franziskus hat kluge Worte zu den Kriegen in der Ukraine und in Gaza gesagt. Dass er dabei das „F-Wort“ in den Mund genommen hat, nehmen ihm die Kriegstreiber in Ost und West übel.

So weit sind wir schon wieder, dass der Papst für einen Aufruf zu Verhandlungen beleidigt wird. Foto: Christoph Wagener / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Man muss weder Katholik noch gläubig sein, um Papst Franziskus für seine Worte dankbar zu sein. Während Zeitgenossen wie der französische Präsident ganz wuschig bei der Vorstellung werden, dass sie selbst Kriegsherr werden könnten, sprach Papst Franziskus, unglaublich, von „Frieden“. Und von „Verhandlungen“. Nun ist „Frieden“ eines der Hauptthemen für einen Papst, weswegen er sich getraut hat, darüber zu sprechen, wissend, dass ihm eine Milliarde Katholiken weltweit zuhören. Doch die Kritik, die von allen Kriegsparteien auf den Papst nach dessen Erklärungen niederprasselt, zwang den Vatikan, ein wenig zurückzurudern. Interessant – selbst Kirchen geraten heute in den Verdacht „Putin-Freunde“ zu sein, wenn sie es wagen, von Frieden zu sprechen. Wie in allen Vorkriegszeiten ist das Wort „Frieden“ zu einem Unwort, zu einem Schimpfwort geworden.

Dabei hatte Papst Franziskus sehr realistisch gesagt, dass „wenn man sieht, dass man besiegt wird, dass die Dinge nicht gut laufen, man den Mut haben muss, zu verhandeln“ und er setzte noch einen oben drauf. „Schämt euch nicht, zu verhandeln, bevor es noch schlimmer wird“. Dass der Papst von „Verhandlungen“ und nicht von einer „Kapitulation“ der Ukraine gesprochen hatte, musste ein Sprecher des Vatikans später präzisieren. Denn selbst ein Papst darf heute nicht mehr ungestraft von Frieden reden, ohne dafür an den Pranger gestellt zu werden. So musste sich Franziskus für sein Werben um Frieden vom früheren ukrainischen Botschafter in Wien Olexander Scherba als „Kleingläubiger“ bezeichnen lassen. Unglaublich, dass die Kriegsgeilheit inzwischen sogar Beleidigungen des Papstes möglich macht.

Und kriegsgeil werden alle immer mehr. Jeden zweiten Tag schwadroniert Emmanuel Macron inzwischen von NATO-Truppen in der Ukraine, die deutsche Opposition kann Kiev gar nicht schnell genug die Raketen liefern, mit denen Moskau angegriffen werden kann, die anderen westlichen Partner organisieren „Ringtausche“ von Waffensystemen, sammeln weitere Milliarden für die Ukraine und dass der ukrainische Präsident Wolodomyr Selenskyi das Angebot von Recep Tayyip Erdogan zur Organisation eines Friedensgipfels in der Türkei abgelehnt hat, war zu erwarten. Der Krieg ist inzwischen ein so lukratives Geschäftsmodell geworden, dass diejenigen, die ihn organisieren, keinerlei Lust verspüren, ihn zu beenden.

Der entscheidende Satz von Papst Franziskus lautete „Schämt euch nicht, zu verhandeln, bevor es noch schlimmer wird“. Unter „noch schlimmer“ muss man einen militärischen Sieg Russlands betrachten, der immer wahrscheinlicher wird und sollte die ukrainische Front wirklich nachgeben, dann gäbe es nichts mehr für die Ukraine zu verhandeln. Wieso sollte der Papst also mit dieser Einschätzung falsch liegen?

Erstaunlicherweise gibt es Unterstützung für die Positionen des Papstes vom französischen Kommunistenführer Fabien Roussel (PCF), der sagte, dass jeder Krieg mit Verhandlungen ende und dass es daher Sinn machen würde, alle Kriegsparteien mit allen diplomatischen Mitteln an den Verhandlungstisch zu zwingen, um zu verhindern, dass Millionen Menschen ihr Leben verlieren und dieser Krieg unkontrollierbar eskaliert.

Erstaunlich ist allerdings, wie die Kriegshetzer der moralischen Instanz des Papstes über den Mund fahren. Der frühere ukrainische stellvertrende Innenminister Anton Heraschtschenko wunderte sich sogar, dass der Papst nicht zur Verteidigung der Ukraine aufrief, Russland verurteilte und selbst zum Krieg aufrief – doch Papst Franziskus ist eben, anders als der Moskauer Pzatriarch Kyrill I., dem Frieden und nicht dem Krieg verpflichtet.

Die Einschätzung des Papstes, dass die Ukraine gerade Gefahr läuft, diesen Krieg zu verlieren, wird von vielen Militärexperten geteilt. Insofern ist es nur schwer verständlich, mit welcher Vehemenz Selenskyi das türkische Angebot zur Ausrichtung eines Friedensgipfels abschmetterte, denn immerhin hat die Türkei auch im März 2022 eine solche Verhandlungsrunde ausgerichtet, bei der damals die ukrainische Seite alle Vorschläge zur Beendigung des gerade erst begonnenen Krieges ablehnte.

Nein, Verhandeln ist keine Schwäche, sondern die einzige Option, diesen Krieg zu beenden. Denn nach zwei Jahren eines blutigen Krieges wird immer klarer, dass die Ukraine, selbst mit aktiver Hilfe der NATO, diesen Krieg nicht gewinnen kann, vor allem nicht zu einem Zeitpunkt, zu dem der Westen weiterhin fast ungebremst Geschäfte mit Russland macht und weiterhin Putins Kriegskasse füllt. Papst Franziskus hatte mit seinen Aussagen völlig Recht, doch hat er eines nicht bedacht – dass an diesem Krieg diejenigen sehr viel Geld verdienen, die alles daran setzen, dass er weiter eskaliert statt beendet zu werden. Nichtsdestotroz war es geradezu erfreulich, mal wieder eine Stimme der Vernunft zu hören. In der Kakophonie der Kriegstreiber tat das richtig gut.

1 Kommentar zu Mut zu Verhandlungen

  1. Irgendwann wird es zu Verhandlungen kommen. Die Ausführungen des Papstes muss man jedoch auch unter dem Blickwinkel des Beziehungsgeflechts zwischen der orthodoxen und der katholischen Kirche bewerten.
    Nun, egal worüber man mit Putin verhandeln wird, mit dem Kremlchef wird es keinen Frieden geben, höchstens einen Waffenstillstand. Eine unabhängige und demokratische Ukraine, im westlichen Sinne des Worts, passt einfach nicht zu den paranoischen Vorstellungen der jetzigen Kremlführung: Siehe die Entwicklung in Belarus vor 4 Jahren.

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