Wenn das Wort „Frieden“ empörte Schnappatmung auslöst

Dass der Papst, oberster Chef von einer Milliarde Katholiken, die Wörter „Frieden“ und „Verhandlungen“ in den Mund genommen hat, hat im Westen empörte Schnappatmung ausgelöst.

Wer heute von "Frieden" redet, wird ruckzuck als "Putin-Freund" diffamiert. Selbst Papst Franziskus. Foto: Macro Kafé / Wikimedia Commons / CC0 1.0

(KL) – Frau Strack-Zimmermann „schämt sich“ Katholikin zu sein, andere rücken Papst Franziskus in die Nähe der „Putin-Freunde“, wieder andere hätten es gerne gesehen, hätte der Papst der Ukraine auch ein paar Durchhalte-Sprüche spendiert und wie Selenskyi vom finalen Sieg über die Russen schwadroniert hätte. Die Tatsache, dass der Papst eine realistische Einschätzung der Kriegs-Entwicklung abgegeben hat und die Kriegsparteien zu Verhandlungen aufruft, passt so gar nicht in die westliche und ukrainische Propaganda, nach der dieser Krieg so gut wie gewonnen ist, was allerdings von den täglichen Nachrichten von der Front wiederlegt wird.

Die Vehemenz, mit der dem Papst im Westen über den Mund gefahren wird, ist erstaunlich. Doch was soll der Mann anderes sagen? Das Credo der katholischen Kirche ist nun mal der Frieden und da ist es eben nicht möglich, dass Papst Franziskus ins allgemeine Kriegsgeheuel der westlichen Führer einstimmt oder am Ende gar Truppen und Waffen segnet. Wobei es das ist, was man in der Ukraine gerne gesehen hätte.

Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba drückte es so aus, mit dem Hinweis auf die etwas unglückliche Formulierung der „weißen Fahne“: „Wir kämpfen und sterben unter einer einzigen Fahne“, gemeint war die blau-gelbe Fahne der Ukraine. Doch wenn das Ziel von Selenskyi ist, dass die Ukrainer allesamt in diesem Krieg sterben, warum muss dann der Westen Milliarden und noch mehr Milliarden in einen schon verloren gegebenen Krieg stecken? Und der Ukraine auch noch die Waffen zur Verfügung stellen, mit denen diese eine Eskalation auslösen kann, die niemand mehr überschaut?

Dabei geht es schon lange nicht mehr um die Frage, wer der Aggressor ist, wer sein Nachbarland völkerrechtswidrig überfallen hat – diese Fragen sind längst geklärt. Doch das entbindet die Ukraine nicht des Nachdenkens und der Antwort auf die Frage, wie viele Ukrainer in diesem Krieg noch sterben müssen. Dass der Papst Anregungen gibt, dass es gar nicht so blöde wäre, mit dem Töten aufzuhören, das hört man im Westen gar nicht gerne. Denn im Westen träumen einige davon, endlich selbst Kriegsherr zu sein, andere verdienen sich eine goldene Nase (laut SIPRI-Bericht ist Frankreich auf Platz 2 der weltweiten Waffenexporteure geklettert…) und wieder andere verfolgen ganz eigene politische Ziele, bei denen es zumeist gar nicht um die Ukraine geht.

Der Kriegswahnsinn greift immer mehr um sich, rationale Einschätzungen der Lage in der Ostukraine sind unerwünscht. Dass die Ukraine „bis zum letzten Mann“ kämpfen will, ist ihr gutes Recht. Der Westen hat inzwischen weit mehr als 150 Milliarden Euro in eines der korruptesten Länder der Welt gepumpt, von denen niemand genau sagen kann, wo dieses Geld geblieben ist. Zu militärischen Erfolgen haben diese Milliarden in zwei Jahren des Kriegs auf jeden Fall nicht geführt.

Insofern ist auch klar, dass Selenskyi keinerlei Interesse daran hat, dass dieser Geldstrom versiegt. Mit der Front in der Ostukraine hat dies nur begrenzt zu tun, denn diese bewegt sich seit einem Jahr kaum noch, bis auf die Male, in denen die russische Armee kleinere Geländegewinne erzielt.

Genau an der Stelle hat Papst Franziskus Recht. Wenn man nach zwei Jahres des blutigen Kriegs merkt, dass es weder vor- noch rückwärts geht, dann muss man die Frage stellen, wie lange man dieses Töten weiterführen will. Dass der Papst „Mut zu Verhandlungen“ fordert, statt einfach weiter diesen Krieg für alle Beteiligten zu finanzieren, das ist eine vernünftige Überlegung, die natürlich nicht in den Kram derjenigen passt, die nur noch nach Krieg und Eskalation schreien und viel Geld mit dem Sterben anderer verdienen.

Doch der Papst, der mit seinen Einlassungen lediglich seinen Job erledigt hat, wird sich künftig zweimal überlegen, ob er weiter von „Frieden“ und „Verhandlungen“ spricht, denn das sind heute Pfui-Worte. Sollte es Franziskus allerdings darauf anlegen, dass ihn die westlichen Politiker und die Verantwortlichen in der Ukraine wieder lieb haben, muss er nur ein paar Waffensysteme segnen, ein Gebet an die Truppen schicken und diese mit „Hurra!“ zum Sterben schicken.

Es ist unendlich traurig, dass wir aus zwei Weltkriegen mit über 100 Millionen Toten nichts gelernt haben. In Friedenszeiten von Frieden zu reden, ist leicht. In Kriegszeiten von „Frieden“ zu reden, löst im ganzen Westen Schnappatmung aus. Dieser Wahnsinn dürfte nicht mehr zu stoppen sein und hinterher werden sich alle fragen, wie es so weit kommen konnte. Die Antwort ist einfach – weil so viele laut nach „mehr Krieg“ gerufen haben und es gar nicht abwarten konnten, dass dieser Krieg weiter eskaliert. Die Gleichung „wer für Frieden und Verhandlungen ist, ist Putin-Freund“, ist grundlegend falsch. Doch bis das jemand merkt, muss wohl erst der III. Weltkrieg stattgefunden haben.

2 Kommentare zu Wenn das Wort „Frieden“ empörte Schnappatmung auslöst

  1. Wie hätte der polnische Papst Johannes Paul ll in dieser Situation reagiert?

    • Das ist eine hypothetische Frage. Und dann wäre auch die Frage, was die “richtige” Reaktion ist und ob es überhaupt eine gibt. Grundsätzlich ist es der Job eines Papstes, sich für die “Erde und den Weltkreis” für Frieden einzusetzen. Es kann nicht Aufgabe eines Religionsführers sein, in die Kakophonie der Kriegstreiber einzustimmen.

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