NATO und EU dürfen sich nicht erpressen lassen

Niemand stellt in Abrede, dass die Ukraine völkerrechtswidrig von Russland überfallen wurde. Doch das macht das ukrainische Narrativ nicht besser.

... aber deshalb mit 'Hurra' in den III. Weltkrieg stolpern? Foto: Schneebiene / Wikimedia Commons / CC0 1.0

(KL) – Alexander Rodnyansky gehört zu den Berater des ukrainischen Präsidenten Wolodomyr Selenskyj und in dieser Funktion erklärte er etwas pampig bei „Maischberger“, dass die „Ukraine Europa nicht ewig alleine verteidigen kann“. Dieser Satz sollte so verstanden sein, dass die NATO gefälligst aktiv in die Kampfhandlungen in der Ostukraine eingreifen soll, sprich, den III. Weltkrieg startet. Doch an der Aussage von Rodnyansky stimmt nicht sonderlich viel.

Die Ukraine verteidigt nicht Europa, das überhaupt nicht angegriffen wurde. Die Ukraine verteidigt die Ukraine, was ja völlig nachvollziehbar ist, und ohne die Milliarden und Mengen an Waffen aus dem Westen wäre heute nicht nur der Donbass, die Krim und ein Teil der Ostukraine von den Russen besetzt, sondern weite Teile des Landes. Der Satz von Rodnyansky müsste folglich genau andersherum lauten: „Der Westen kann die Ukraine nicht ewig alleine verteidigen“.

Nach mehr als 500 Tagen des Kriegs stellen inzwischen auch die westlichen Militärexperten fest, dass die Milliarden und Mengen an Waffensystemen nicht einmal ausreichen, eine Gegenoffensive in die Wege zu leiten, bei der mehr als ein paar ohnehin verlassene Dörfer „zurückerobert“ werden. Doch parallel stellt man fest, dass die Führung des bis zur russischen Invasion offen als „korruptestes Land Zentraleuropas“ bezeichneten Landes nicht einmal vor dem Einsatz von Streumunition zurückschreckt, mit der auch die eigene Bevölkerung auf Jahre hinaus gefährdet wird. Dazu sind aus dem Westen gelieferte Waffen bereits bei kriminellen Organisationen in Finnland und im Kosovo aufgetaucht und es wird langsam Zeit, dass sich NATO und EU endlich, endlich auf eine gemeinsame Position zu diesem Krieg zusammenraufen, bei dem nicht etwa Europa angegriffen wurde, sondern die Ukraine. Wladimir Putin wird sich hüten, ein NATO-Land anzugreifen, denn dafür hätte nicht einmal Moskau die erforderlichen Ressourcen. Folglich darf man beruhigt das Narrativ „in der Ukraine wird Europa verteidigt“ zur Seite legen und versuchen, die Lage in der Ukraine etwas realistischer einzuschätzen. Auch die „europäischen Werte“, die angeblich in der Ukraine verteidigt werden, sind alles andere als „Werte“, es sei denn, man betrachtet das Europa der Eva Kaili, des Marc Tarabella oder der Ursula von der Leyen als tugendhaft.

Der Westen unterstützt die Ukraine nach Kräften und versucht dennoch, den Weg zu irgendwann stattfindenden Verhandlungen mit Russland nicht zuzuschütten. Nicht nur, dass der Westen enorm viele ukrainische Flüchtlinge aufgenommen hat, nicht nur, dass permanent Milliarden flieβen und zahllose Waffensysteme geliefert werden, dazu ist die westliche politische Solidarität mit der Ukraine beispielhaft. Insofern sind Sätze wie „Die Ukraine kann Europa nicht ewig alleine verteidigen“ eine Beleidigung, wie man sie zuletzt immer häufiger aus der Ukraine hört.

Viele Beobachter weigern sich zu erkennen, dass man die Ukraine und deren Strategie kritisch betrachten darf und muss – ohne, dass dies die Rolle der Ukraine als angegriffenes Land schmälern würde. Die Ukraine und ihre Führung kritisch zu beobachten bedeutet keinesfalls, dass man die russische Aggression gutheiβt. Doch darf man nicht vergessen, dass die Ukraine nach wie vor ein hochkorruptes Land ist, dass in der Ukraine immer noch Nazi-Kollaborateure als Volkshelden verehrt werden und dass es keine Möglichkeit geben wird, dass die Ukraine diesen Krieg militärisch gewinnen kann.

Diejenigen Staaten, die die hektischen Versuche, die Ukraine schnell in EU und NATO zu integrieren verhindern, sind die ersten, die sich langsam dem ukrainischen Narrativ entziehen, sehr zum Ärger von Selenskyj, der nach dem NATO-Gipfel in Vilnius tobte. Es wäre besser, wenn man in Europa den Propaganda-Lügen von beiden Seiten weniger Glauben schenken würde, denn momentan versucht die Ukraine mit allen Mitteln, die NATO-Truppen ins Land zu lotsen. Doch bevor man sich in den III. Weltkrieg hineinlügen lässt, wäre ein wenig mehr Nachdenken und vor allem ein wenig mehr Realismus hilfreich.

Der Ukraine zu helfen, sich selbst zu verteidigen, das tut der Westen seit mehr als 500 Tagen. Dazu ist es allerdings nicht nötig uns vorzumachen, in der Ukraine würde Europa verteidigt. Denn das stimmt schlicht und ergreifend nicht.

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