Rüstungsexporte, Sigmar Gabriel und die Bürgerbeteiligung

Seit Monaten rätselt die SPD-Spitze, warum sie in den Umfragen stagniert und nicht in die Gänge kommt. Wir sagen ihr gerne, warum das so ist.

Er ist gegen ein Verbot von Rüstungsexporten, bertreibt eine "rechte Politik" und wundert sich über mangelnde Begeisterung in der linken Wählerschaft. Foto: Moritz Kosinsky / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0de

(KL) – Es gab Zeiten, da war die SPD eine „linke“ Partei. Die gegen Ungerechtigkeit und gegen Krieg war. Man erinnere sich nur an die großen Demonstrationen der Friedensbewegung auf der Bonner Hofgartenwiese, als Hunderttausende gegen Pershing-Raketen und die Aufrüstung demonstrierten. Man mag es heute kaum glauben, aber damals gehörte die SPD zu denjenigen Parteien, die zumindest über ihre Jugendorganisation zu den Organisatoren dieser Anti-Rüstungs-Demonstrationen gehörten.

Heute ist das ganz anders. Denn als Wirtschaftsminister unterliegt das Gewissen von Sigmar Gabriel nicht mehr dem gesunden Menschenverstand oder gar humanistischen Werten, sondern nur noch den Interessen der großen Industrielobbys. So schmetterte Gabriel eine Petition der Initiative „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel“ ab, die immerhin von 100.000 Menschen unterzeichnet worden war.

Die Initiative hatte gefordert, dass der Bundestag ein totales Verbot von Rüstungsexporten in das Grundgesetz aufnimmt – ein Versuch, den Gordischen Knoten von Sachzwängen, wirtschaftlichen Interessen und dem Druck der Industrielobbys durchzuschlagen. Doch es wird nicht mal eine ernsthafte Auseinandersetzung zwischen der Gesellschaft und der SPD zu diesem Thema geben.

Denn sollte ein solches Verbot ins Grundgesetz aufgenommen werden, dann müsste Deutschland aus der NATO austreten, was der SPD wohl mehr Angst macht als dem Rest der Bevölkerung. Immerhin war es ja auch die SPD, die mit ihrer großen Schwester CDU vor den USA in die Knie ging und sich nicht traute, Edward Snowden Asyl in Deutschland zu gewähren. Humanismus? Nö, lieber Rüstungsexporte.

Und, besonders schlimm, Deutschland könne sich dann auch nicht mehr an UN-Missionen beteiligen, mit denen, so Gabriel, Völkermorde verhindert würden. Außer in Ländern, in denen einem Völkermorde egal sind und die man auch weiterhin gerne deutsche Waffen liefert. Und als viertgrößter Waffenexporteur der Welt will Deutschland auch weiterhin Arbeitsplätze mit dem Geschäft mit dem Tod sichern. So sieht es Sigmar Gabriel.

Natürlich ist das kein Einzelfall. Nicht so richtig gut kam bei der SPD-Wählerschaft an, dass Arbeitsministerin Andrea Nahles viele deutsche Gewerkschaften faktisch entmachtet hat und der Gewerkschaftsbewegung den größten Schlag der letzten 150 Jahre bescherte. Ausgerechnet Sozialdemokraten betätigen sich als Totengräber alt eingesessener Gewerkschaften!

Mit einer solchen Politik verliert die SPD ihr Profil, sie hat es schon verloren. Und wenn man dann als Wähler vor der Wahl steht, das Original für eine solche Politik mit der CDU/CSU oder eine billige Kopie mit der SPD zu wählen, dann gewinnt man damit eben keine Wähler. Und stagniert weiter in den Umfragen.

Dass eine Initiative, die 100.000 Unterschriften sammelt, nicht einmal so viel Gehör bei der SPD findet, dass daraus ein gesellschaftlicher Dialog entsteht, ist ein weiteres Armutszeugnis für die politische Kultur, die sich in der SPD breit gemacht hat. Statt von Sachzwängen zu faseln, könnte sich Gabriel auch mit einem so ungewöhnlichen Vorschlag wie dem Ausstieg aus dem Geschäft mit dem Tod auf etwas ernsthaftere Weise beschäftigen.

Und vielleicht sollte Sigmar Gabriel einmal nach Frankreich schauen, wo die PS ihren Versuch, eine „zentrumsnahe“ Politik zu betreiben, mit dem Gang in die politische Bedeutungslosigkeit bezahlt. In Zeiten wie den heutigen brauchen die Wählerinnen und Wähler klare Profile, sie müssen und wollen wissen, wer für welche Politik steht. Eine SPD, die sich als internationaler Waffenhändler gefällt und den Dialog mit der Zivilgesellschaft arrogant verweigert, dürfte auf jeden Fall für immer mehr Menschen unwählbar werden.

2 Kommentare zu Rüstungsexporte, Sigmar Gabriel und die Bürgerbeteiligung

  1. Lucia Oppermann // 25. März 2015 um 11:04 // Antworten

    Bei der SPD fühle ich mich schon seit längerem nicht mehr “zu Hause”. Die Profillosigkeit der Partei hat in meinen Augen die Schmerzgrenze erreicht.

    • Kai Littmann // 25. März 2015 um 11:17 // Antworten

      Genau so geht es vielen – und genau das ist der Grund, warum die SPD nicht in die Gänge kommt. Was übrigens exakt das gleiche Problem der PS in Frankreich ist. Der Versuch, eine “Politik der Mitte” zu machen, bringt nichts außer der von Ihnen beschriebenen Profillosigkeit. Und ist es wirklich “linke” Politik, deutsche Rüstungsexporte im Stil der Kanzlerin als “alternativlos” zu bezeichnen?

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