Ukraine – wie lange wollen wir uns weiter etwas vormachen?

Seit anderthalb Jahren tobt der Krieg in der Ukraine. Und seit dieser Zeit schafft es der Westen nicht, eine auch nur halbwegs vernünftige Strategie zu entwickeln.

Und das soll jetzt Jahre so weitergehen? Foto: Ministry of Defense of Ukraine / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 2.0

(KL) – Seit der Krieg in der Ukraine tobt, lügen alle Beteiligten, dass sich die Balken biegen. Auf die „Erfolgsmeldungen“ der Russen kann man ebenso wenig geben wie auf diejenigen der Ukraine; der Westen, insbesondere der britische Geheimdienst, erzählt das Blaue vom Himmel herunter und ein Ende dieses Stellungskriegs ist nicht abzusehen. Dafür aber weitere Eskalationen. Es wäre an der Zeit, dass man realistisch überlegt, welche Optionen es überhaupt gibt.

Militärisch ist dieser Krieg für keine Seite zu gewinnen. Die Ukraine wird, trotz aller Waffen- und Geldlieferungen, nicht in der Lage sein, die russische Armee aus den besetzten Regionen zu vertreiben und Russland wird nicht in der Lage sein, diese Regionen langfristig militärisch zu halten oder gar zusätzliche Gebiete zu erobern. Da stellt sich doch eine einfache Frage: Angesichts des Umstands, dass man uns seit anderthalb Jahren weismacht, dass die Zukunft Europas, ja der ganzen westlichen Zivilisation von einem ukrainischen Sieg abhängt, warum greift der Westen dann nicht mit seinen eigenen Truppen ein und wirft die Russen aus der Ukraine? Die Antwort auf diese Frage ist ganz einfach – weil der Westen das nicht kann. Zumindest nicht, ohne einen Nuklearkrieg zu entfesseln, bei dem logischerweise am Ende niemand gewinnen kann.

Der Zustand der europäischen und westlichen Armeen ist derart jämmerlich, dass ein offener Konflikt mit Russland das Risiko einer krachenden Niederlage beinhaltet. Die Bundeswehr und ihre Ausrüstung sind eine Katastrophe, die französische Armee unter Waffen würde komplett im Stade de France Platz finden. So bitter es ist – die NATO und ihre Armeen hätten in diesem Krieg genauso wenig eine Chance wie die ukrainische Armee.

Immer wieder hört man den Vergleich mit der Reaktion der Alliierten gegen Nazi-Deutschland. Doch der Vergleich hinkt – zum einen waren die Länder, die gegen die Nazis ins Feld zogen, selbst angegriffen worden und die Nazis versuchten, ganz Europa und weitere Teile der Welt zu erobern. Dass sich die Alliierten gemeinsam gegen den Nazi-Aggressor stemmten, war in dieser Situation der einzig gangbare Weg. Doch heute ist die Situation eine ganz andere. Russische Horden ziehen heute nicht brandschatzend durch ganz Europa und es handelt sich bislang um einen lokalen, auf die Ostukraine begrenzten Krieg, der militärisch nicht zu entscheiden ist.

Doch wir folgen weiter brav der ukrainischen und der eigenen Propaganda, liefern immer heftigere Waffensysteme, zahlen pharaonische Summen an ein hoch korruptes System (und finanzieren parallel auch weiter Putins Kriegskasse…) und tun so, als stünde der „Sieg“ kurz bevor. Dabei weiß jeder, dass das nicht stimmt.

Können wir also die NATO-Truppen mobilisieren und die Russen aus der Ukraine vertreiben? Nein, das können wir nicht. Ist die ukrainische Armee in der Lage, mit den vom Westen gelieferten Waffen die Russen aus der Ukraine zu vertreiben? Nein, das kann sie nicht. Können die Russen weitere ukrainische Regionen besetzen oder gar weitere Länder angreifen? Nein, das können sie nicht, denn auch die russischen Ressourcen sind begrenzt. Die russische Armee schafft es nicht einmal, die angeblich besetzten Regionen vollständig zu kontrollieren. In einer solchen Situation ist es nicht möglich, dass Russland zu einem Eroberungsfeldzug durch weitere Regionen ansetzt.

Wenn man diese Situation so analysiert, gibt es keine andere Option als den Verhandlungsweg. Beide Seiten haben ihre (unrealistischen) Forderungen für eine Aufnahme von Verhandlungen formuliert. Die Ukraine will erst dann verhandeln, wenn die russische Armee vollständig ukrainisches Territorium verlassen hat. Worüber Kiev dann noch verhandeln will, ist nicht ganz klar. Russland auf der anderen Seite will erst dann verhandeln, wenn die „neuen geographischen Realitäten“, sprich die Annektierung der ukrainischen Regionen, „anerkannt“ wird, was natürlich auch nicht passieren wird. Und dann soll die einzige Lösung sein, dass man weiter die Jugend beider Länder abschlachtet, die Ukraine verwüstet und die Welt in den III. Weltkrieg stürzt?

Natürlich ist die russische Invasion in der Ukraine völkerrechtswidrig, zu verdammen und eine unglaubliche Sauerei. Doch das sollte nicht unbedingt dazu führen, die Situation nur nach unserem Wunschdenken zu beurteilen und weiter so zu tun, als könne die russische Armee aus der Ukraine vertrieben werden. Wenn wir weiter unser Handeln an unseren eigenen Propagandalügen ausrichten, wird dieser Krieg noch Jahre dauern, weiter eskalieren und Hunderttausende Menschenleben kosten.

Den „gerechten Frieden“, den die Ukraine verständlicherweise fordert, wird es nicht geben. Im Krieg gibt es keine Gerechtigkeit, sondern nur das Recht des Stärkeren. Allerdings zeigt die Geschichte, dass sich die Kräfteverhältnisse immer wieder verändern. Ansonsten gäbe es heute noch eine russisch besetzte Tschechoslowakei und nicht zwei souveräne Staaten, die Tschechische Republik und die Slowakei. Denn kein Unrechtsregime dauert ewig, selbst das „tausendjährige Reich“ der Nazis dauerte gerade einmal 12 Jahre.

Der Ukraine-Krieg betrifft heute schon praktisch die ganze Welt. Sämtliche Gleichgewichte, politisch, wirtschaftlich und militärisch sind zusammengebrochen, in Afrika wechseln ehemalige Kolonien ins Lager Russlands und Chinas, die Welt wird verrückt. Doch das sollte man sich endlich eingestehen und endlich eine Strategie ausarbeiten, deren einziges Ziel die Beendigung dieses Kriegs sein muss. Doch in der Praxis dackelt der Westen weiter brav hinter Kiew und Washington hinterher, macht weiter Geschäfte mit Russland und setzt alles daran, dass dieser Krieg noch möglichst lange dauert und möglichst viele Menschenleben kostet. Doch der Weg in einen „Endloskrieg“ ist eine Sackgasse, in der Schäden angerichtet werden, deren Behebung schon heute Jahrzehnte dauern wird. Dieser Krieg muss enden und diesem Ziel muss alles untergeordnet werden. Auch, wenn es die Propaganda beider Seiten inzwischen geschafft hat, dass „Pazifismus“ zum Schimpfwort geworden ist.

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.

*



Copyright © Eurojournaliste