Vincent Thiébaut läutet die Alarmglocken

Der Abgeordnete aus Haguenau und Präsident des Zentrums für Europäischen Verbraucherschutz zählt auf, was momentan an der deutsch-französischen Grenze schief läuft. Und das ist einiges.

Vincent Thiébaut im Gespräch mit Eurojournalist(e). Foto: Archiv Eurojournalist(e)

(KL) – „Jeden Tag“, sagt Vincent Thiébaut, Abgeordneter (LREM) aus Haguenau, „erhalte ich Mails, in denen mir die Leute schildern, was alles an der deutsch-französischen Grenze schief geht.“ Und die Klagen, die von vielen elsässischen Bürger*innen vorgetragen werden, haben es in sich. Die große Gefahr ist, dass diese teilweise zu nichts zu rechtfertigenden Zwischenfälle das deutsch-französische Verhältnis langfristig belasten können. Daher hat Vincent Thiébaut auch alle französischen Instanzen mit Schreiben informiert, doch wäre es eigentlich noch wichtiger, diese Probleme in Deutschland vorzutragen, wo sie ihren Ursprung nehmen.

An der Grenze, so die Feststellung des Abgeordneten, finden völlig willkürliche Kontrollen statt, die dadurch erschwerte werden, dass der von den deutschen Behörden für einen Grenzübertritt geforderte „triftige Grund“ eine sehr schwammige Definition ist, deren Interpretation alleine den wachhabenden Beamten obliegt. Dies führt aber auch dazu, dass niemand, der diese Grenze übertreten will, so etwas wie einen Rechtsanspruch geltend machen kann – es reicht, dass der Beamte an der Grenze der Ansicht ist, dass ein Grund „nicht triftig“ ist, um die betreffende Person abzuweisen.

Zu was für teilweise abstrusen Situationen das führt, wählt Vincent Thiébaut auf:

* Elsässer haben in Deutschland ein Auto gekauft, dürfen aber nicht um die Grenze, um es abzuholen. Besonders ärgerlich, wenn das Fahrzeug benötigt wird, um damit zur Arbeit zu fahren.
* Elsässer haben vor dem Lockdown ihr Fahrzeug auf einem kostenpflichtigen Parkplatz in Deutschland geparkt und können es nun nicht abholen. Die Parkgebühren steigen Tag für Tag und summieren sich zu erheblichen Beträgen.
* Franzosen und Französinnen, darunter viele Student*innen, wollen ihre persönlichen Gegenstände aus einem Appartement in Deutschland holen, damit sie es kündigen und nicht weiter Miete zahlen müssen. Zwar dürfen sie nach Vorlage ihres deutschen Studentenausweises die Grenze überschreiten, können aber keine in Frankreich wohnenden Freunde oder Bekannten mitnehmen, um ihren beim Umzug zu helfen.
* Franzosen haben Einkäufe in Deutschland für einen sofortigen Bedarf getätigt, zum Beispiel Möbel für das Kinderzimmer eines Neugeborenen. Hierbei handelt es sich oft um Einkäufe mit hohem Warenwert. Problem – das deutsche Unternehmen darf diese Waren nicht liefern, der Kunde darf sie nicht in Deutschland abholen.

Solche Gründe für einen Grenzübertritt werden nicht als „triftig“ betrachtet und führen für die Betroffenen zu echten Problemen.

Aber das ist noch nicht alles:

* Strafzettel durch die Polizei für Grenzgänger, die in Baden-Württemberg nach der Arbeit eingekauft haben. Nicht nur, dass diese Strafen diskriminatorisch waren, dazu war die Höhe der Strafzettel überproportional hoch – bis zu 1000 €! Das Zentrum für Europäischen Verbraucherschutz hat gegen diese Strafen Widerspruch eingelegt.
* Unklare Rechtlage in Rheinland-Pfalz und im Saarland, was die Möglichkeit zum Einkaufen anbelangt. Offenbar verzichten die Grenzgänger im Zweifelsfall lieber darauf, in Deutschland einzukaufen.
* Lange Staus morgens und abends an den Grenzübergängen in beiden Richtungen.

Und hier ist noch nicht einmal die Rede von den Beleidigungen und Beschimpfungen von elsässischen Grenzgängern, die so schwerwiegend waren, dass sich Außenminister Heiko Maas, der ja bekanntlich selbst Saarländer ist, zu einer Entschuldigung genötigt sah.

All diese Dinge stellen eine schwere Belastung der deutsch-französischen Beziehungen dar. Dabei geht es nicht nur um praktische Probleme, sondern auch darum, dass ein schwerer Vertrauensverlust im Elsass entstanden ist, der sich immer häufiger in anti-deutschen Ressentiments äußert, die leider nachvollziehbar sind.

Vincent Thiébaut hat sich in seiner Doppelfunktion als Abgeordneter und Präsident des Zentrums für Europäischen Verbraucherschutz an zahlreiche Politiker gewandt, um auf diese Missstände aufmerksam zu machen. Adressaten seiner Schreiben waren unter anderem der französische Premierminister Edouard Philippe, der französische Innenminister Christophe Castaner, die französische Europaministerin Amélie de Monchalin, die Präsident*in der beiden elsässischen Departements Haut-Rhin und Bas-Rhin Brigitte Klinkert und Frédéric Bierry, sowie der Präsident der Region Grand Est Jean Rottner. Vielleicht würde es auch Sinn machen, diese Rückmeldung aus der Realität nach Berlin und Stuttgart zu senden… Hoffen wir, dass die Initiativen von Vincent Thiébaut von Erfolg gekrönt sind.

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