Warum Deutschland Edward Snowden nicht empfangen will

Die BND-Zentrale in Berlin sieht zwar etwas altbackener aus als die NSA, macht aber genau das Gleiche. Foto: A.Fiedler / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 2.5

(KL) – Verschiedene Medien berichteten darüber, dass der deutsche Geheimdienst BND (Bundesnachrichtendienst) genau das Gleiche tut wie die NSA. Dabei ist inzwischen fast normal, dass in alle Richtungen spioniert und abgehört wird, nur steht Deutschland gerade etwas blöd da, nachdem man sich in Berlin so darüber aufgeregt hatte, dass die Amerikaner auch die deutsche Regierung abhören. „So etwas macht man nicht“, regte man sich damals in Berlin pro forma auf, „das Abhören von Freunden ist unanständig.“ Außer, wenn Deutschland John Kerry, Hillary Clinton oder die türkische Regierung abhört. Und vermutlich wollte die deutsche Regierung verhindern, dass Edward Snowden diese Dinge bei einem Besuch in Deutschland öffentlich macht. Weswegen man alle Winkelzüge ausnutzte, um das Kommen von Snowden zu verhindern.

Seit mehr als einem Jahr stellt die die Welt für viele Menschen ganz anders dar als vorher. Zwar wusste man immer schon, dass Geheimdienste geheime Operationen in Grauzonen der Legalität durchführen, allerdings war vermutlich nur wenigen klar, dass sich die Geheimdienste dieser Welt völlig verselbstständigt haben und für unvorstellbare Summen „Staaten im Staat“ aufgebaut haben, die inzwischen unkontrollierbar sind und tun und lassen, was sie wollen. In den USA, aber auch in den anderen Ländern der Welt.

Wie erfolgreich die Geheimdienste arbeiten, erkennt man daran, dass sie nicht in der Lage waren, auch nur einen einzigen der aktuellen Großkonflikte (Gaza, Ukraine, Syrien, Libyen etc.) zu antizipieren, damit diese Entwicklungen gestoppt werden können. Auch die Aussage, man habe zahlreiche Terroranschläge verhindert, ist nicht überprüfbar. Das liegt in der Natur der Sache, doch warum sollte man den Geheimdiensten so etwas glauben? Diese Dienste lügen die Weltbevölkerung dreist an – und ausgerechnet bei der Aussage, sie hätten Terroranschläge verhindert, soll man ihnen glauben?

Der BND hat sich also exakt auf das Niveau der von ihm kritisierten NSA begeben – man spioniert „Freunde“ aus, man setzt auf technische Rundumüberwachung und man missachtet individuelle Freiheitsrechte genau so wie die Amerikaner. Das Schlimmste daran ist allerdings, dass uns allen das ziemlich egal zu sein scheint. Jede Wette, bei den nächsten Landtagswahlen werden wir wieder alle zusammen für diejenigen stimmen, die diesen fürchterlichen Demokratieabbau betreiben. Und damit machen wir uns alle zusammen wieder einmal durch „Wegschauen“ an dieser Entwicklung mitschuldig. Warum nur ist der Mensch nicht in der Lage, aus bereits gemachten Fehlern zu lernen? Warum müssen wir dieselben fatalen Fehler nur immer wieder von vorne begehen?

Deutschland hat auf jeden Fall die Berechtigung verloren, mit dem Finger auf andere wie die USA zu zeigen. Und plötzlich versteht man auch die Zurückhaltung der deutschen Behörden in der Aufklärung des NSA-Skandals. Wenn der Generalbundsanwalt ein Jahr nach Veröffentlichung der niemals, nicht einmal von den USA im Wahrheitsgehalt bestrittenen Unterlagen von Edward Snowden „keinen Anfangsverdacht zur Aufnahme von Ermittlungen“ sieht, dann kann man daraus nur zwei Schlüsse ziehen. Erstens hat die Bundesregierung keinerlei Interesse an einer öffentlichen Aufklärung dieses Skandals und zweitens stimmt in Deutschland das Grundprinzip der Demokratie nicht mehr, nämlich die Gewaltenteilung. Wie unabhängig ist eine Justiz, die so offensichtlich ihre Handlungsanweisungen aus höchsten politischen Sphären erhält?

Wie traurig – nach den USA hat sich auch Deutschland auf die Seite der Bananenrepubliken geschlagen, in denen die wichtigsten Grundwerte der Demokratie bereits ausgehebelt wurden. Das sollte doch eigentlich der Zeitpunkt sein, an dem man aufhört diejenigen zu wählen, die alles das zu verantworten haben…