Schweden und die NATO – das kann noch dauern…

Schweden hat seine Neutralität aufgegeben und will so schnell wie möglich in die NATO. Doch vor einem Beitritt steht noch die Zustimmung der Türkei und Ungarns.

In der Brüsseler NATO-Zentrale weiss man auch nicht, wie man mit der Türkei und Ungarn umgehen soll. Foto: Paasikivi / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Da ist sie wieder, die Regel der Einstimmigkeit, die in größeren Organisationen wie der EU oder der NATO die Handlungsfähigkeit in vielen Fällen nicht nur einschränkt, sondern geradezu lähmt. Nachdem der Beitritt Finnlands zum nordatlantischen Verteidigungsbündnis zügig durchgewunken wurde, ist der Prozess für Schweden mühsam. Die Türkei und Ungarn verzögern den Beitritt Schwedens und das aus ganz unterschiedlichen Gründen.

Die Türkei hat zwar zugesagt, das Beitrittsgesuch Schwedens „innerhalb einiger Wochen“ im Parlament in Ankara ratifizieren zu wollen, doch wurde darüber bereits im Parlament diskutiert, ohne dass es zu einem Ergebnis gekommen wäre. Die Türkei fordert nach wie vor von Schweden die Auslieferung von PKK-Mitgliedern, die in Schweden Asyl erhalten haben und dazu stören die immer wieder passierenden Koran-Verbrennungen die Türkei. Doch auch, wenn das türkische Parlament irgendwann grünes Licht für den schwedischen NATO-Beitritt geben sollte, wartet schon die nächste Hürde, dieses Mal in Budapest.

Viktor Orban, der Regierungschef Ungarns, der sich in den letzten Monaten als zuverlässiger Freund von Russland und Wladimir Putin erwiesen hat, würde einem schwedischen NATO-Beitritt wohl nur gegen Bares zustimmen, beispielsweise durch die Auszahlung blockierter EU-Gelder. Ansonsten hat er keinerlei Interesse, dem schwedischen Beitrittsgesuch zuzustimmen, zumal die skandinavische NATO-Erweiterung dem Kreml überhaupt nicht passt. Angesichts der ungarischen Weigerung, sich an Sanktionen gegen Russland zu beteiligen und der neuen Energieverträge zwischen Ungarn und Russland wird sich Orban sein grünes Licht für den schwedischen NATO-Beitritt teuer bezahlen lassen oder diesen weiterhin durch sein Veto verhindern.

Allerdings werfen die aktuellen Entwicklungen ganz andere Fragen auf, nämlich die, was die Türkei und Ungarn eigentlich in der NATO verloren haben. Beide Länder stehen eindeutig nicht auf der Seite der Europäer, beide Länder pflegen enge Kontakte zum russischen Kriegsherren und sind damit so etwas wie die 5. Kolonne in der EU und in der NATO.

Beide Organisationen, EU und NATO, müssen sich dringend von innen her reformieren und sich ein Regelwerk geben, das es ermöglicht, Mitgliedern den Stuhl vor die Tür zu stellen. Speziell im militärischen Bereich der NATO ist es unverständlich, dass Ungarn und die Türkei Zugang zu militärischen Geheimnissen des Westens haben, während sie eindeutig auf der Seite Russlands stehen.

Die Gleichgewichte der Welt sind nicht mehr die gleichen wie noch vor einigen Jahren und dem muss man irgendwann Rechnung tragen. Doch selbst die NATO müsste mit ihrer Doktrin hinterfragt werden. Die westlichen Armeen wären heute überhaupt nicht in der Lage, in einem größeren Konflikt einzugreifen und angesichts schlechter Ausrüstung, unzureichender Ausbildung und zu geringer Truppenstärke ist fraglich, wie hoch der Schutz der NATO im Falle einer Aggression eines Mitgliedsstaats tatsächlich wäre.

Doch ist es erschreckend zu sehen, dass zwei große Organisationen wie die EU und die NATO von Ländern wie Ungarn und der Türkei am Nasenring durch die Manege geführt werden und weiterhin westliche Milliarden kassieren. EU und NATO werden nicht umhin kommen, sich auf geänderte Umstände der Weltpolitik einzustellen, wenn sie sich nicht der Lächerlichkeit preisgeben wollen. Je schneller die Probleme mit der Türkei und Ungarn gelöst werden, desto besser. Und Schweden wird sich wohl darauf einstellen müssen, dass der Weg in die NATO noch sehr weit sein kann…

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