Was sollen denn nur die Nachbarn denken?!
Deutschland gibt sich im Rahmen des BND-Skandals mal wieder alle erdenkliche Mühe, alte Vorurteile gegen unser Land zu bestätigen. Wie peinlich…
(KL) – „Was sollen denn die Nachbarn denken?!“ – wer von uns hat mindestens in seiner Jugend diesen Satz noch nicht gehört? Doch ausgerechnet die professionellen Saubermänner der Bundesregierung scheint es nicht zu stören, dass Deutschland mal wieder als aggressive Nation dasteht, die wie so oft radikal gegen die Interessen der europäischen Partner verstößt, ja diese sogar verrät. Den Merkel, de Maizière und Co. geht es im Moment nur um eines – selbst den Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Dabei stellen sie sich allerdings ziemlich vertrottelt an.
So war es schon mehr als peinlich, als Innenminister Thomas de Maizière vor die Presse trat, nachdem er dem Untersuchungsausschuss Rede und Antwort stehen musste, was er wie immer unter dem Hinweis auf „Geheimsachen“ nicht tat, und salbungsvoll erklärte, „dass nichts von den Vorwürfen gegen ihn übrig bliebe“. Abgesehen davon, dass diesem Mann ohnehin niemand mehr glaubt, ist es schon seltsam, dass sich ein Angeschuldigter öffentlich so selbst freizusprechen versucht. Zumal wir ja gerade erst am Anfang der Aufdeckung dieses Verrats an Europa und den europäischen Partnern stehen.
Ebenso erstaunlich das trotzige „Nö, die Liste kriegt der Untersuchungsausschuss nicht; nur, wenn die Amerikaner das erlauben“ der Kanzlerin. Damit räumte sie nämlich gleichzeitig ein, dass sie trotz aller gegenteiligen Beteuerungen sehr wohl mit dem Dossier vertraut war – peinlich, peinlich. Mit der Hand in der Keksdose erwischt…
Geradezu ungeheuerlich hingegen sind die aktuellen Ankündigungen des BND selbst – der stolz erklärte, dass fortan die NSA für gewünschte Überwachungen auch eine Begründung liefern müsse. Was ja logischerweise bedeutet, dass er jahrelang halb Europa für die Amerikaner ausspioniert hat, OHNE dass die Amerikaner dafür eine Begründung liefern mussten. Was dann eigentlich den Bundesstaatsanwalt auf den Plan rufen müsste, denn eine solche Weitergabe von Daten ohne irgendeine Grundlage ist selbst in Deutschland illegal. Mit der Ankündigung, sich künftig ganz korrekt verhalten zu wollen, liefert der BND damit den Beweis, dass er sich bislang in der Illegalität herumgetrieben hat. Klasse.
Und täglich kommen mehr Details ans Tageslicht. Inzwischen berichten Medien davon, dass die berühmte „Selektoren-Liste“ (ein Begriff, der klingt, als stamme er aus der Harry Potter-Reihe…) 40.000 Begriffe umfassen soll. Wenn man bedenkt, dass der durchschnittliche Wortschatz eines Deutschen 12.000 bis 16.000 Wörter umfasst, dann darf man also ruhig davon ausgehen, dass die Amerikaner den BND einfach alles überwachen ließen. Sollte diese Liste aus Versehen doch einmal öffentlich werden, dann versuchen Sie mal, eine Konversation zu führen und dabei alle Begriffe auf dieser Liste zu vermeiden. Sie werden nicht mal einen Satz so zustande bringen.
Tja, und was sollen jetzt die Nachbarn denken? Dass Deutschland sich, wie alle paar Jahrzehnte, mal wieder offen feindselig gegenüber seinen Nachbarn verhält? Doch da ist etwas, was stutzig macht. Denn die ausspionierten Nachbarn reagieren überhaupt nicht. Weder hat der französische Präsident wütend eine schnelle und umfassende Aufklärung gefordert oder darauf bestanden zu erfahren, was genau im Elysee-Palast abgehört wurde, noch steht Jean-Claude Juncker auf den Barrikaden und fordert Sanktionen gegen Deutschland. Nur ein paar Unternehmen haben Anzeige „gegen X“ gestellt. Was aber bedeutet dieses Schweigen? Die Erklärung, die einem sofort in den Sinn kommt, ist dass auch die ausspionierten Partner den gleichen Dreck am Stecken haben wie Deutschland. Ansonsten würden sie sich ja wohl zumindest schockiert zeigen. Tun sie aber nicht.
Wenn man die Karte der französischen Abhöranlagen anschaut, dann steigt der Verdacht auf, dass sich in Europa inzwischen alle gegenseitig ausspionieren und dass die ganze Geschichte von der NSA koordiniert wird. Was die Frage aufwirft, ob unsere Staats- und Regierungschefs eigentlich noch ganz bei Trost sind, unter diesen Umständen Handelsabkommen mit den USA zu verhandeln, wenn völlig klar ist, dass die Amis auf Grundlage aller geheimen Daten genau wissen, wie sie Europa am besten am Nasenring durch die Manege führen können.
Beim Trauermarsch nach den Pariser Attentaten, als sich die Mächtigen dieser Welt in einer Seitenstraße und abgeschirmt von den übrigen Demonstranten medienwirksam in Szene setzten, sinnierte ein Freund bei der TV-Übertragung „würde man da jetzt eine Bombe ‘reinwerfen, man träfe keinen Falschen…“. Und auch, wenn einem jede gewalttätige Regung natürlich völlig abgeht, so konnte man doch nachvollziehen, was er meinte…
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