Was tun wir Deutschen eigentlich für das Parlament in Straßburg?

Der Sitz des Europäischen Parlaments in Straßburg ist stärker gefährdet als je zuvor. Die mit viel Getöse eingerichtete „Task Force“ produziert so gut wie nichts. Und was machen wir?

2013 strahlte die "Task Force" noch um die Wette. Ein Jahr später hat sie nichts auf die Beine gestellt. Foto: (c) Claude Truong-Ngoc / Eurojournalist(e)

(KL) – Großartig – 2013 wurde mit viel „Kommunikation“ die „Task Force“ eingerichtet, die den Sitz des Europäischen Parlaments in Straßburg verteidigen soll. Doch was diese „Task Force“ produziert, ist derartig dünn, dass sich diejenigen die Hände reiben, die den Sitz des Parlaments nach Brüssel verlegen wollen. Und, wie in so vielen anderen Fällen, meint man am Oberrhein, dass man das schon aussitzen könne. Man ignoriert diese Bedrohung weitgehend. Wie erfolgreich diese Taktik ist, hat man ja erst kürzlich bei der Debatte um die Gebietsreform in Frankreich gesehen. Nachdem man im Elsass so lange die Augen zugemacht hat, bis die Entscheidungen gefallen waren, wunderte man sich hinterher über das Ergebnis.

Doch neben dem gerechtfertigten Vorwurf der maximalen Ineffizienz dieser „Task Force“ sollte man sich auch einmal auf der deutschen Seite an die Nase fassen. Der ganze Oberrhein profitiert vom europäischen Status der Stadt Straßburg und dennoch scheint sich niemand auf der deutschen Seite so richtig für diese Problematik zu interessieren. Dabei ist klar, dass die Verlegung des Parlaments nach Brüssel nicht nur für die Demokratie in Europa katastrophale Folgen hätte, sondern auch für die Entwicklung des Oberrheins. Denn viele Besucher der Europastadt Straßburg kommen auch in die benachbarte Ortenau, in Kehl sind sogar europäische Einrichtungen angesiedelt und der ganze Oberrhein hat das Image einer europäischen, weltoffenen Region. Lohnt es sich nicht, diesen Status zu verteidigen?

Wir in Baden sollten uns eigentlich von dieser Frage deutlich direkter angesprochen fühlen, als das der Fall ist. Mit dem Eurodistrikt Straßburg-Ortenau verfügen wir, trotz aller aktuellen und vergangenen Schwierigkeiten mit der Organisation dieser Struktur, über eine Einrichtung, die als „Europäische Modellregion“ konzipiert ist. Europa ist ein Thema, das bei uns mittlerweile eine solche Selbstverständlichkeit geworden ist, dass man es gar nicht mehr wahrnimmt und schon gar nicht mehr pflegt. Und das ist ein Fehler.

Zwar muss die Frage gestattet sein, was der Sinn einer „Task Force“ ist, die mit einem Jahresbudget von 50.000 € gerade mal eine müde Broschüre im Jahr produziert und sich ansonsten darauf beschränkt, interne Sitzungen zwischen Politikern zu organisieren (und auch das nur sehr, sehr selten), doch muss man ebenso die Frage stellen, was wir Deutschen eigentlich für diesen europäischen Status der Region tun.

Dabei ist das Thema vielschichtig. Nicht nur, dass „Europa“ für unsere Region am Oberrhein wichtig ist – noch viel wichtiger ist es im Grunde zu verhindern, dass die einzig demokratisch gewählte europäische Institution nicht im Moloch der institutionalisierten Korruption in Brüssel verschwindet. Brüssel, das sind Mauscheleien hinter verschlossenen Türen, das sind 20.000 Lobbyisten, die täglich versuchen, das Abstimmungsverhalten der EU-Abgeordneten zu beeinflussen, das sind Deals zwischen dem großen Kapital und der europäischen Politik, bei denen es eigentlich so gut wie nie um die Interessen der Bürgerinnen und Bürger der EU geht. Diese zu vertreten, das ist die herausragende Aufgabe des Europäischen Parlaments und die räumliche Trennung der Europäischen Institutionen zwischen Brüssel und Straßburg mag zwar bestechenden und bestechlichen Zeitgenossen ein Dorn im Auge sein, ist aber einer der letzten Schutzmechanismen für die europäische Demokratie. Den es zu schützen gilt.

Die „Task Force“ in Straßburg ist gerade dabei, sich selbst ad absurdum zu führen. Nicht nur, dass im Laufe des letzten Jahres die teilnehmenden Europaabgeordneten mehrheitlich den Wiedereinzug ins Parlament verpassten, dazu hielt man es für angebracht, den FN-Rechtsaußen Schaffhauser (der für die Ile de France im Parlament sitzt, eine Partei vertritt, die Frankreich aus Europa herauslösen will und der die Deals zwischen Russland und den französischen Rechtsextremen einfädelt) mit ins Boot zu nehmen. Da darf man sich allerdings auch nicht wundern, warum diese „Task Force“ vor allem durch eines auffällt – durch Unsichtbarkeit.

Die „Task Force“ macht keine Lobbyarbeit für den Sitz in Straßburg. Es wäre vernünftiger gewesen, hätte man Pierre Loeb von den Jungen Europäischen Unternehmern mit dieser Arbeit beauftragt – immerhin ist Loeb der einzige, der bislang belastbares Material in zwei Berichten veröffentlicht hat, die nachweisen, dass die Gegner des Parlamentssitzes in Straßburg mit falschen Zahlen die öffentliche Meinung manipulieren. Und wem gegenüber sollen denn die EU-Abgeordneten in der „Task Force“ Lobbyarbeit machen? Bei sich selbst?

Straßburg muss sehr aufpassen. Denn wenn man, ähnlich wie bei der Gebietsreform, erst dann aktiv wird, wenn bereits alle Entscheidungen gefallen sind, dann ist es zu spät. Die „Single Seat“-Gruppe im Europäischen Parlament wird nicht locker lassen – wenn man in Straßburg, aber auch in Baden und auf Bundesebene (Hallo? Herr Schäuble?) nicht anfängt, sich massiv hinter Straßburg zu stellen, dann könnte wieder einmal das eintreten, was angeblich Michail Gorbatschow zu Erich Honecker gesagt haben soll: „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben…“

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