Wenn die Bürgerinnen und Bürger die Politik in die Hand nehmen…

Die Parteien bieten schon länger keine glaubwürdigen Alternativen zur aktuellen Politik. In Frankreich haben sich daher Zehntausende zu einer Vorwahl der ganz anderen Art zusammengefunden.

Und wenn die politische Zukunft ausserhalb des Parteiensystems läge?... Foto: LaPrimaire.org

(KL) – Sie heißen Maxime Verner, Charlotte Marchandise, Jean-Michel Billaut, Roxane Revon, Alexandre Lecouillard, Ariane Vitalis, Philippe Mazuel, Régis André, Daniel Bussard, Michael Pettini, Nicolas Bernabeu, Ramïn Farhangi, Michel Bourgeois, Jean-Marc Fortané, Thomas Nonnez und Pauline Lejeune. Sie sind Arbeiter, Studenten, Anwalt oder Akademiker, also Menschen wie du und ich. Und sie haben etwas gemeinsam – sie kandidieren alle für das Amt des französischen Präsidenten. Außerhalb des parteienorientierten Politikbetriebs, ohne Unterstützung eines Apparats und der oder die Gewinner(in) der Vorwahl „LaPrimaire.org“ wird tatsächlich gegen die „Elefanten“ aus den Parteien bei der Präsidentschaftswahl 2017 in Frankreich antreten. Als echte Alternative.

Eine Idee einiger Idealisten? Mitnichten – „LaPrimaire.org“ funktioniert nicht nur basisdemokratisch, sondern erfährt auch einen starken Zulauf. Mehr als 61.000 Menschen haben sich bereits auf der Plattform registrieren lassen und können somit bei dieser Vorwahl mitmachen, bei der ein Kandidat oder eine Kandidatin aus der Zivilgesellschaft ins Rennen um die Präsidentschaft geschickt wird. 61.000 engagierte Menschen, das sind Zahlen, die manch etablierte Partei neidisch erblassen lässt…

Auf der Internet-Plattform präsentieren die KandidatInnen ihre Programme, die teilweise sehr unterschiedlich ausfallen, doch das ist der ganze Reichtum der „liquid democracy“ – unterschiedliche Positionen und Pläne sind nicht etwa ein Problem, sondern die Grundlage für eine sachbezogene Debatte. Und entscheiden werden sich die 61.000 nicht für den lautesten, sondern den inhaltlich am besten aufgestellten Kandidaten entscheiden – was für die Qualität der politischen Diskussion ein echter Gewinn ist.

Hintergrund der Aktion von „LaPrimaire.org“ ist eine Umfrage, die vor wenigen Monaten zeigte, dass sich rund 2/3 der Franzosen vorstellen können, einen Präsidenten zu wählen, der nicht Mitglied einer politischen Partei ist, denn das Vertrauen der Franzosen in ihr politisches Establishment ist ebenso zerrüttet wie in anderen Ländern – ein Blick auf die Liste der Kandidatinnen und Kandidaten der traditionellen Parteien zeigt, warum das so ist. Da tummeln sich ehemalige Präsidenten und Ministerpräsidenten, jede Menge strafrechtlich unangenehm aufgefallene Zeitgenossen und fast alle, die sich dort als „Hoffnungsträger“ aufführen, gehören eigentlich zu denen, die zuletzt zahlreiche Krisen selbst zu verantworten haben. Da ist ein Kandidat aus dem zivilgesellschaftlichen Lager ein erfrischend neuer Ansatz, bei dem es zunächst gar nicht darum geht, ob dieser Kandidat am Ende tatsächlich gewählt wird, sondern vielmehr darum, dass die Zivilgesellschaft aufzeigt, dass andere Denkansätze in der Politik denkbar und möglich sind.

Wie bei den traditionellen Parteien geht es nun auch bei „LaPrimaire.org“ in die heiße Phase des Vorwahlkampfs. Man darf gespannt sein, welcher Kandidat oder welche Kandidatin der 16 Finalteilnehmer zum Präsidentschaftskandidaten wird – und eines steht heute schon fest: Nichts und niemand wird den Fortschritt aufhalten können. „LaPrimaire.org“ läutet das Ende des Zeitalters der Parteiapparate ein. Was man in den Parteizentralen noch gar nicht so richtig gemerkt hat…

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