Der Wissenschaft stehen die Haare zu Berge

Superstimmung am "Freedoma Day" - ab einer Inzidenz von 10.000 werden alle Massnahmen vermutlich wieder eingeführt... Foto: Tadeáš Bednarz / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Die Nachricht der französischen Regierung an das Wahlvolk ist eindeutig: „Die Pandemie ist (quasi) besiegt.“ Ist sie aber nicht. Viele Länder, nicht nur in Europa, leiden unter der massiven 6. Welle, in der inzwischen das extrem virulente Omikron-Variant BA.2 dominant ist. Die Wissenschaft warnt, dass dieses Abschaffen der sanitären Maßnahmen viel zu früh kommt, aber gegen den Kalender der anstehenden Wahlen hat die Wissenschaft keine Chance. Der aktuelle Amtsinhaber muss sich für die anstehenden Präsidentschaftswahlen als „Bezwinger der Pandemie“ darstellen, nachdem es schon mit dem „Friedensengel der Welt“ nicht so richtig geklappt hatte.

Die Stimmung in Frankreich war gestern prächtig. Die Sonne schien und die leidigen Maßnahmen gehören der Vergangenheit an. Zumindest bis nach den Wahlen, denn man muss damit rechnen, dass die Inzidenzen ab sofort, wie in Deutschland, explodieren. Wenn die Wahlen dann vorbei sind, können alle Maßnahmen wieder eingeführt werden und das wird wahrscheinlich auch passieren.

Seit gestern gilt in Frankreich:

• In Innenräumen muss keine Maske mehr getragen werden (außer in öffentlichen Verkehrsmitteln
• Der Impfpass muss nicht mehr vorgezeigt werden (außer in Altenheimen, Krankenhäusern, und Einrichtungen für Behinderte) – allerdings steht im entsprechenden Dekret „bis auf Weiteres“, was bedeutet, dass er von einem Tag auf den anderen wieder eingeführt werden kann…
• In den Schulen muss keine Maske mehr getragen werden
• In den Unternehmen gibt es keine sanitären Protokolle und Maskenpflicht mehr

Angesichts der pandemischen Entwicklung raufen sich die Wissenschaftler die Haare. Es ist ein wenig so, als erlebten wir gerade eine massive AIDS-Welle und die Regierung würde erklären, dass ab sofort der Gebrauch von Präservativen nicht mehr nötig sei.

Dass die Menschen nach über zwei Jahren der Pandemie die Nase gestrichen voll haben, ist eine Sache. Die mehr als verständlich ist. Aber dass die Politik nun Entscheidungen trifft, die einzig den persönlichen Ambitionen der handelnden Politiker dient, gleichzeitig aber die Volksgesundheit massiv gefährdet, ist bemerkenswert. Dass es viele Menschen gibt, die genau diese politische Kommunikation schlucken und jetzt begeistert den „Bezwinger der Pandemie“ feiern, bewegt sich zwischen mittelalterlichem Irrglauben und heftigem Schwachsinn. Aber so gewinnt man heute eben Wahlen, auch, wenn es die Volksgesundheit kostet.

Lassen Sie sich nicht von diesem politischen Diskurs täuschen. Nicht nur, dass die Pandemie alles andere als vorbei ist, nein, sie befindet sich gerade wieder einmal auf einem Höhepunkt und auch, wenn viele Menschen sich selbst einreden, dass es sich nur um eine kleine „Grippe“ handelt, so sterben alleine in Europa täglich mehrere Hundert Menschen an dieser „Grippe“, während sich die Wissenschaft besorgt mit den Folgen von „Long Covid“ beschäftigt, der zahlreiche Menschen betrifft und offenbar ganz üble Langzeitfolgen auslösen kann.

Schützen Sie sich und andere, indem Sie nicht in den aktuellen Freudentaumel verfallen, dass jetzt wieder alles OK sei. Nichts ist OK, die Pandemie ist so aktuell wie eh und je (Inzidenz im Schwarzwald-Baar-Kreis, also direkt um die Ecke: 3.300…) und das Tragen einer Maske, das Einhalten sozialer Abstände und die übrigen Maßnahmen, an die wir uns zwei Jahre lange gewöhnt haben, sollten weiter angewandt werden. Dazu sollte man sich gut überlegen, ob man wirklich für Kandidaten oder Kandidatinnen stimmen will, die, um ihre persönlichen Ziele zu erreichen, bereit sind, Sie einer üblen Krankheit auszusetzen. Schützen Sie sich, schützen Sie andere und hören Sie nicht auf die Sirenengesänge der Politik – sobald die nächsten Wahlen vorbei sind, werden Sie die Maßnahmen erneut volle Breitseite abbekommen.