Wie europäisch wird die Europawahl?

Am 9. Juni wird das neue Europäische Parlament gewählt. Doch die Umfragen in den europäischen Ländern zeigen, dass es in erster Linie eine nationale „Denkzettelwahl“ wird.

Dunkle Wolken ziehen über Europa auf... Foto: Amada44 / Wikimedia Commons / PD

(KL) – So richtig klar scheint vielen Europäern und Europäerinnen die Bedeutung der Europawahl am 9. Juni noch nicht zu sein. In vielen Ländern wird diese Wahl genutzt werden, um den nationalen Regierungen einen „Denkzettel“ zu verpassen, doch das ist ein großer Fehler. Denn vieles in unserem täglichen Leben wird von den europäischen Institutionen entschieden, wobei man festhalten muss, dass diese dringend reformiert werden müssen. Doch die so dringend wichtige Reform der Institutionen steht bei keiner der Parteien im Wahlprogramm. Nur – mit „weiter so!“ wird man die Europäer und Europäerinnen kaum an die Wahlurnen bewegen können.

Wenn man nur die aktuellen Umfragen in Frankreich und Deutschland anschaut, dann merkt man, dass das Thema „Europa“ bei der Europawahl nur eine untergeordnete Rolle spielt. Müde von den endlosen Skandalen in der Europäischen Kommission, aber auch im Europäischen Parlament, enttäuscht von europäischen Institutionen, die sich selbst zu einer Art korruptem Erfüllungsgehilfen der verschiedenen Lobbys gemacht haben und ansonsten von PolitikerInnen geführt werden, die zum Ende ihrer fragwürdigen Karrieren noch einmal als „War Lords“ in die Geschichtsbücher kommen wollen, werden die europäischen Wählerinnen und Wähler eher unter nationalen Gesichtspunkten wählen gehen.

In Deutschland ist der Unterschied in den Umfragen zwischen Europawahl und bundesweiter „Sonntagsfrage“ enorm. Hinter der CDU, die bei 27 % liegt, taucht bereits die AfD mit 22 % auf, einem Wert, den sie in nationalen Umfragen seit der „Potsdamer Konferenz“ nicht mehr erreicht. Nur, die Europaabgeordneten der AfD haben noch nie Bemerkenswertes geleistet, die AfD darf man getrost als „europafeindlich“ einschätzen und warum die rechtsextreme Partei in den Umfragen deutlich über ihren Werten bei bundesweiten Umfragen liegt, lässt sich nur dadurch erklären, dass auch in Deutschland die Europawahl eine „Denkzettelwahl“ für eine Regierung wird, die von der deutlichen Mehrheit der Bevölkerung nicht mehr unterstützt wird.

Noch seltsamer sind die Umfragen in Frankreich, wo das ebenfalls europafeindliche „Rassemblement National“ mit deutlichem Abstand in den Umfragen mit über 30 % vorne liegt, während die Regierungspartei „Renaissance“ unter 20 % liegt, was ebenfalls bedeutet, dass vier von fünf Franzosen der Macron-Partei das Vertrauen aufgekündigt haben.

Einmal mehr zeigt sich, dass das Thema „Europa“ in der Schule und auch an den Universitäten zu kurz kommt. Wenn man bedenkt, welchen Einfluss die europäischen Direktiven auf die nationale Gesetzgebung haben, dass unser Leben in Europa weitgehend von Europa bestimmt wird, ist es ein schlimmer Fehler, das Thema Europa höchstens bei Klassenfahrten und mit Gadgets bei Festen in den Räumlichkeiten der Institutionen zu behandeln. Doch was die Kinder und Jugendlichen nicht lernen, das wissen dann auch Erwachsene nicht und damit ist es fast logisch, dass die Europawahl einen nationalen Charakter erhält, um den es gar nicht geht.

Was sollen deutsche Wähler davon haben, wenn sie mit 22 % AfD-Abgeordnete in ein Parlament schicken, in dem sie noch nie konstruktiv gearbeitet und zu einer Verbesserung der Lebensbedingungen der Europäerinnen und Europäer begetragen haben? Was sollen französische Wähler davon haben, das „Rassemblement National“ ins Europäische Parlament zu schicken, wissend, dass diese Formation in erster Linie Europa von innen heraus aushöhlen will und gemeinsam mit anderen rechtsextremen Formationen von einem Ende der Europäischen Union träumt?

In den übrigen europäischen Ländern ist die Situation vergleichbar. Die Unkenntnis des Thema Europa ist bedrückend und lässt viel Raum für neonationalistische Bestrebungen, wie man es in Großbritannien sieht, wo der „Brexit“ keinerlei positive Auswirkungen hatte. Das Versprechen, dass außerhalb der EU das Gras grüner sei, hat sich als trügerisch herausgestellt und nun machen sich die wichtigsten Länder Europas daran, genau auf dem gleichen Weg zu folgen.

Tote-Bags und Schlüsselanhänger in Blau mit goldenen Sternen können heute niemanden mehr überzeugen und dass „Europa“ bei den europäischen Wählern so unbekannt und unbeliebt ist, das haben sich die europäischen Institutionen und ihre Kommunikationsabteilungen selbst auf die Fahne zu schreiben. „Europa“ ist etwas, das erklärt und vermittelt werden muss, „Europa“ ist etwas, was Besseres als die Korruption und Lobbyarbeit der europäischen Politik verdient hat und dass es eine Ursula von der Leyen wagt, sich für eine zweite Amtszeit zu bewerben, nachdem sie in der ersten bereits auf ganzer Linie versagt hat, wird weitere Menschen davon abhalten, überhaupt zur Wahl zu gehen.

Die Wahlbeteiligung wird am 9. Juni historisch niedrig sein und man wird sehen, ob die traditionellen Parteien danach überhaupt noch eine Mehrheit haben. Doch diese Probleme sind nicht plötzlich aufgetaucht, sondern das Ergebnis dessen, dass sich die Institutionen seit Jahrzehnten weigern, sich zu reformieren und transparenter zu werden. Es ziehen dunkle Wolken über Europa auf…

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