Der Jugend eine Chance…

In fünf europäischen Ländern dürfen am 9. Juni 2024 bei der Europawahl Jugendliche ab 16 Jahren wählen. Dieses neue Konzept wird kontrovers diskutiert.

In fünf europäischen Ländern können am 9. Juni auch Jugendliche ab 16 Jahren bei der Europawahl wählen. Foto: Rama / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 2.0

(KL) – In diesem Jahr dürfen in fünf europäischen Ländern Jugendliche ab 16 Jahren erstmals bei der Europawahl am 9. Juni 2024 abstimmen. Belgien, Deutschland, Griechenland, Malta und Österreich gehen diesen Schritt, der natürlich darauf abzielt, Jugendliche für Europa und für die Politik zu interessieren. Diskutiert wird die Absenkung des Wahlalters schon eine Weile, nun machen diese fünf Länder den ersten Schritt, der dort, wo er diskutiert wird, auch durchaus kontrovers diskutiert wird.

Haben Jugendliche eine schulische Ausbildung, die es ihnen ermöglicht, eine Wahl zu treffen? Die Fragestellung könnte man auch auf Erwachsene ausdehnen. Wie viele erwachsene Europäer kennen den Unterschied zwischen dem Europarat und dem Europäischen Rat? Wie viele Erwachsene sind in der Lage, die Zuständigkeiten von Europäischem Parlament, Europäischer Kommission und Europäischem Rat zu erklären? Wie viele Erwachsene kennen das europäische Gesetzgebungsverfahren? Diese Liste könnte man beliebig fortführen und man muss feststellen, dass auch viele Erwachsene ohne das erforderliche politische Rüstzeug zu Wahlen gehen. Können es die Jugendlichen dann wirklich „schlechter“ machen?

Es gibt heute zahlreiche Jugendliche, die sich für politische Themen engagieren, beispielsweise die Schülerbewegung „Fridays for Future“. Angesichts der Tatsache, dass die Politik die Lebensbedingungen der nächsten Generationen bestimmt, warum sollte man dann Jugendlichen nicht die Möglichkeit geben, für diejenigen zu stimmen, die „ihre“ Themen aktiv aufgreifen?

Allerdings wirft die Diskussion um die Absenkung des Wahlalters eine ganz andere Frage auf – wie steht es um die schulische Behandlung der Politik und des Konzepts „Europa“? Im Grunde müsste die Absenkung des Wahlalters von einem schulischen Programm im Vorfeld begleitet werden, der über eine Klassenfahrt nach Brüssel oder Straßburg oder Festivitäten wie das EYE im Europäischen Parlament hinausgeht. Hier müssen Fortschritte gemacht werden, um junge Menschen in die Lage zu versetzen, die Tragweite und Auswirkungen ihres Wahlverhaltens besser zu verstehen. Wer junge Menschen für Europa und die Politik begeistern will, der darf sich nicht darauf beschränken, ihnen Schlüsselanhänger oder Fähnchen in die Hand zu drücken.

Dass es viele Jugendliche zwischen 16 und 18 Jahren gibt, die sich nicht für Politik interessieren, ist keine Überraschung. Es gibt auch viele 18- bis 99jährige, die von der Politik die Nase voll haben. Das allerdings liegt weniger an den Menschen und ihrem Alter, als an der Art und Weise, wie heute Politik gemacht wird, in einem Sumpf der Korruption, des Lobbyismus und der nationalen Interessen. Wer „gute“ Politik macht, braucht sich auch vor jugendlichen Wählerinnen und Wählern nicht zu fürchten…

In den fünf Ländern, in denen am 9. Juni auch Jugendliche ab 16 Jahren wählen dürfen, wird man dieses Experiment aufmerksam verfolgen. Erst eine Analyse des Wahlverhaltens dieser neuen Erstwähler wird neue Erkenntnisse bringen, ob eine generelle Absenkung des Wahlalters sinnvoll ist. Aber es ist erst einmal eine gute Sache, dass Jugendliche eine Stimme haben, denn immerhin geht es um ihre Zukunft. Wie „erfolgreich“ dieses System ist, wird man im Juni sehen.

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