O felix Austria!

Österreich stolpert in eine ausgewachsene Staatskrise und hat dabei noch Glück im Unglück...

Aufmerksam hört Sebastian Kurz der Verkündung des Ergebnisses zu - er ist gerade abgesetzt worden. Foto: ScS EJ

(KL) – Erinnern Sie sich an die Wahl zum österreichischen Bundespräsidenten 2016? Als es so endlos lange und hauchdünn zwischen dem FPÖ-Strammrechten Norbert Hofer und dem grünen Wissenschaftler Alexander Van der Bellen hin und her ging? Damals setzte sich Van der Bellen in der Stichwahl mit 50,3 % der Stimmen durch und danach schaffte es die FPÖ, die Wahl für ungültig erklären zu lassen und in der dann entscheidenden Wahl gewann wiederum Alexander Van der Bellen. Nachdem gestern das österreichische Parlament Bundeskanzler Sebastian Kurz per Misstrauensvotum als ersten Bundeskanzler in der Geschichte der Alpenrepublik aus dem Amt geworfen hatte, merkte man plötzlich, wie wichtig damals diese Endlos-Wahl zum Bundespräsidenten war.

Denn in der aktuellen Staatskrise, in der die SPÖ und die FPÖ gemeinsame Sache machten, um die Regierung zu stürzen, nachdem Kurz aufgrund der „Ibiza-Affäre“ seinen FPÖ-Innenminister vor die Tür gesetzt hatte, woraufhin die FPÖ alle Minister aus der Regierung abzog und die Koalition platzen ließ, kommt dem Präsidenten Van der Bellen eine entscheidende Rolle zu: Laut Verfassung muss er nun einen Interims-Regierungschef bestimmen, der eine kommissarische Regierung beruft, die dann die Geschäfte bis zur ohnehin bereits beschlossenen Neuwahl im September führt. Allgemein erwartet man eine „Experten-Regierung“ (was findige Kommentatoren zur Frage veranlasste, wer denn sonst in der Regierung sitzt…), deren Aufgabe sein soll, die laufenden Angelegenheiten zu managen, ohne politisch aktiv zu werden.

Man stelle sich vor, Rechtsaußen Norbert Hofer wäre in dieser sensiblen Situation Bundespräsident Österreichs gewesen! Er hätte eine Interims-Regierung aus dem rechtsextremen Lager berufen können, die sich problemlos über das ungeschriebene Gentlemen-Verständnis der politischen Enthaltsamkeit hätte hinwegsetzen und machtpolitisch aktiv werden können. Doch diese Gefahr besteht dank dieser ewig langen Bundespräsidentenwahl nicht – Alexander Van der Bellen wird darauf achten, dass es zu keinem Missbrauch dieser Situation kommen und sich Österreich so bis zu den Neuwahlen durchhangeln kann.

Ob sich die gemeinsame Interessenlage zwischen SPÖ und FPÖ am Ende auszahlen wird, ist fraglich. Bei der Europawahl fuhr die ÖVP mit 34,9 % der Stimmen ein geradezu hervorragendes Ergebnis ein; die SPÖ liegt mit 23,4 % und die FPÖ mit 17,2 % dahinter. Mit 14 % darf man auch die Grünen nicht unterschätzen und auch die Partei NEOS könnte mit ihren 8,4 % ein Wörtchen mitreden. Ob SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner mit dieser gemeinsamen Aktion mit der rechtsextremen FPÖ glücklich wird, bleibt abzuwarten. Die Geschichte zeigt, dass Königsmörder nur selten zu Stars in der Erinnerung der Menschen werden.

Nun ist es also an Alexander Van der Bellen, Österreich durch die nächsten vier Monate zu manövrieren, zusammen mit einem Expertenteam und wer weiß, vielleicht entdeckt das Land dabei eine neue Art einer modernen Regierung. Experten statt Ideologen. Ob die Österreicher im September noch eine andere Regierung haben wollen?

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